Als sich der Terror in der Leopoldstadt versteckte
In einem Haus im Volkertviertel konnte ein in Deutschland gesuchtes Paar jahrelang untertauchen. Ihre Entlarvung endete tödlich.
Text: Bernhard Odehnal

Es muss eine friedliche Wohngemeinschaft gewesen sein. Damals, in den 1990er Jahren in Wien Leopoldstadt, Springergasse: Ein österreichischer Jusstudent und ein deutsch-dänisches Paar namens „Jens“ und „Hedi“, in einer Altbauwohnung im Volkertviertel.
Der Mann und die Frau aus Dänemark hatten sich auf eine Annonce gemeldet, weil der Student Mitbewohner gesucht hatte. Das war 1995. Vier Jahre später lieferten sich die Zugereisten im 22. Bezirk einen Schusswechsel mit der Wiener Polizei. Jens wurde erschossen, Hedi verhaftet. Die beiden, so stellte sich danach schnell heraus, hießen in Wirklichkeit Horst Ludwig Meyer und Andrea Klump. In Deutschland wurden sie wegen ihrer Zugehörigkeit bei der Terrororganisation RAF (Rote Armee Fraktion) gesucht.
Terrortraining in Syrien und Libyen
Doch wer waren die beiden? Der österreichische Geheimdienstexperte Thomas Riegler vermutet, dass sie nie der RAF angehört hätten, sondern einem linken Terrorverbund namens „Antiimperialistische internationale Brigade“. Riegler beruft sich dabei auf ein Gespräch mit einem ehemaligen Fahnder des deutschen Bundeskriminalamtes. Diese Terrorbrigade sei von den Regimes in Syrien und Libyen gesteuert und finanziert worden. Dort wurden vermutlich auch Mayer und Klump zu Terroristen ausgebildet.
Bei welchen Anschlägen Mayer und Klump konkret beteiligt waren, ist bis heute nicht ganz geklärt. Möglicherweise seien die beiden 1989 in den tödlichen Anschlag auf den deutschen Banker Alfred Herrhausen verwickelt gewesen. Und mit hoher Wahrscheinlichkeit waren sie 1991 beim Anschlag auf einen Bus mit jüdischen Auswanderern in Budapest dabei.
Alltag im Volkertviertel als Tarnung
Danach dürften sie jedoch eine Möglichkeit zum Rückzug gesucht und diesen in Wien Leopoldstadt gefunden haben. Der ahnungslose Mitbewohner erzählte später vom geregelten Tagesablauf der ehemaligen Terroristen: Jeden Tag seien sie um 6.30 Uhr aufgestanden um pünktlich um 9 Uhr die Wohnung zu verlassen.
Sie seien viel in Museen, ins Kino und ins Theater gegangen, hätten aber niemals auf ihren Mittagsschlaf verzichtet. Wenn sie nicht Kultur konsumierten, sollen sie TV-Krimis wie „Colombo“ oder „Der Alte“ geschaut haben. Als am Sonntag einmal die Milch aus war und der Mitbewohner Milch vom Billa am Praterstern holen wollte, soll Jens dies strikt abgelehnt haben: Sonntagsarbeit sei nicht im Sinne der Werktätigen.

Was die beiden dann im September 1999 in der Donaustadt suchten, ist bis heute nicht klar. Möglicherweise kundschafteten sie Banken für einen Überfall aus, denn sie kamen jeden Tag an denselben Ort an der Wagramer Straße zurück. Einem Anrainer fiel das auf, er verständigte die Polizei. Bei der Personenkontrolle kam es zum Schusswechsel. Meyer starb, Klump wurde verhaftet und an Deutschland ausgeliefert.
12 Jahre Haft für Klump
Die Mitgliedschaft bei der RAF und die Beteiligung am Mord an Herrhausen konnte ihr die Staatsanwaltschaft nicht nachweisen. Doch sie wurde 2004 wegen eines Anschlags in Spanien und jenem in Budapest zu insgesamt 12 Jahren Haft verurteilt. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt. Sollte sie noch am Leben sein, wäre Klump jetzt 68 Jahre alt.
Thomas Riegler: Österreichs geheime Dienste. Vom Dritten Mann bis zur BVT-Affäre. Klever Verlag 2022.
Bernhard Odehnal lernte Journalismus bei der Stadtzeitung „Falter“ und war danach als Korrespondent und Reporter für österreichische und Schweizer Medien tätig. 2025 kehrt er mit der Gründung von „Zwischenbrücken“ in den Lokaljournalismus zurück. Er lebt in der Leopoldstadt.