Ein stiller Platz für eine laute Frau
In der Brigittenau haben öffentliche Räume meist männliche Namen. Eine Ausnahme: der Maria-Restituta-Platz. Er erinnert an eine Frau, die sich den Nationalsozialisten widersetzte – und dafür mit dem Leben bezahlte.
Text und Foto: Naz Küçüktekin

Wer heute am Maria-Resituta-Platz in der Brigittenau vorbeikommt, übersieht ihn leicht. Eine kleine Grünfläche zwischen Bahntrasse und Wohnblöcken, ein paar Bäume, eine Bank. Die meisten, die hier am Handelskai in die Schnellbahn steigen, wissen kaum, wer Maria Restituta war. Und doch erinnert dieser unscheinbare Ort an eine bemerkenswerte Persönlichkeit.
Geboren wurde sie 1894 als Helene Kafka in Brünn, doch schon als Kleinkind kam sie mit ihrer Familie nach Wien. Die Kafkas wohnten in der Brigittenau, einem damals dicht besiedelten Arbeiter:innenbezirk mit starkem katholischen und sozialdemokratischen Milieu. Helene wuchs mit sechs Geschwistern auf, besuchte die Schule, arbeitete zunächst als Schreibkraft – und trat schließlich dem Orden der Franziskanerinnen bei. Ihrem Ordensnamen „Restituta“ – die Wiederhergestellte – sollte sie mehr als gerecht werden.
Kritische Texte gegen das NS-Regime
Ab 1919 arbeitete Maria Restituta als Krankenschwester im Krankenhaus Mödling, wo sie bald zur leitenden OP-Schwester wurde. Kolleg:innen beschrieben sie als kompetent, durchsetzungsfähig, humorvoll – und als Frau mit klarer Haltung. Die zeigte sie vor allem nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Sie widersetzte sich dem Verbot religiöser Symbole in den Krankenzimmern, sprach offen über ihre Ablehnung des Regimes, verfasste kritische Texte, die über Pfade des kirchlichen Widerstands verbreitet wurden.
1942 wurde sie denunziert, verhaftet und zum Tod verurteilt – wegen „Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat“. Am 30. März 1943 wurde sie im Landesgericht Wien enthauptet. Maria Restituta war die einzige Ordensfrau, die im nationalsozialistischen Österreich zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. In einem ihrer letzten Briefe an die Familie schrieb sie: „Ich habe mich nichts zu beschuldigen. Es wird sich einmal alles aufklären.“
Der Papst sprach sie selig
Sie sollte recht behalten. 1998 wurde sie von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen. Inzwischen tragen Schulen, Kirchen und Straßen in mehreren Städten ihren Namen. Auch in der Brigittenau, wo sie aufwuchs, wurde schließlich ein Ort nach ihr benannt: Der Maria-Restituta-Platz entstand 2000 im Zuge eines städtebaulichen Projekts. Der Platz ist bis heute der einzige im Bezirk, der nach einer Frau benannt wurde.
Naz Küçüktekin hat journalistische Erfahrungen unter anderem bei Kurier, Profil und Biber gesammelt. Sie lebt in der Brigittenau hat mehrere Preise gewonnen, unter anderem den Wiener Journalismus-Gesundheitspreis.