Glanz und Elend der vier Dianabäder
In der Leopoldstadt stand einst das größte und modernste Hallenbad Europas. Vom Dianabad geblieben ist nur die Erinnerung und eine ziemlich unbrauchbare Immobilie.
Text: Bernhard Odehnal
Es muss eine rauschende Ballnacht gewesen sein, an diesem 15. Februar 1867. Der Wiener Männergesangs-Verein hatte wie jedes Jahr zur „Faschings-Liedertafel“ in den Diana-Saal beim Donaukanal geladen. Der damals schon berühmte Johann Strauß (Sohn) hatte eigens einen Walzer für den Anlass komponiert. Der wurde nun hier in der Leopoldstadt uraufgeführt. Den Text dazu hatte ein Polizeikommissars namens Josef Weyl gedichtet: „ Wiener seid froh, oho, wieso…?“
Die Musik gefiel dem Publikum und der Presse außerordentlich gut. Der Text weniger. Weshalb Strauß bald danach seinen Walzer ohne Text unter dem Titel „And der schönen blauen Donau“ herausbrachte. Und mit dem „Donauwalzer“ feierte er dann Erfolge in Paris, in London und in seiner Heimatstadt.
Ebenso legendär wie der Walzer war in Wien aber auch der Ort der Uraufführung: Der Diana-Saal war eigentlich eine Badeanstalt an der heutigen Oberen Donaustraße, deren Becken im Winter aus Kostengründen zugedeckt und zu einem Ball- und Konzertsaal umfunktioniert wurde. Die Dimension des Bades und die Verwendung von Gusseisen für die Dachkonstruktion waren damals neu.
Ein Bad aus Eisen und Beton
Doch wie so oft in Wien wurde das Neue schnell alt und musste dem Zeitgeist weichen. 1913 wurde das Bad abgerissen und durch einen noch imposanteren Bau ersetzt – mit zwei Schwimmhallen samt Wellenbecken, Dampfbädern, Restaurants und einem Hotel. Als einer der ersten Bauten in Wien wurde das 1917 eröffnete zweite Dianabad nicht mit Ziegeln sondern aus Eisenbeton errichtet – was derzeit eine Sonderausstellung im Wien Museum anschaulich zeigt. Als „Badepalast“ und „größtes und modernstes privates Bad Europas“ wird das Dianabad dort beschrieben.
Eigentümer des Bads war eine Aktiengesellschaft mit Großteils jüdischen Besitzern. Zu ihnen gehörte die Familie Fürth, die mit der Herstellung von Zündhölzern im böhmischen Schüttenhofen (heute: Sušice) reich geworden war. Die Fürths besaßen in Wien neben den Anteilen am Dianabad auch ein Sanatorium im 8. Bezirk hinter dem Rathaus. Die letzten Eigentümer, Lothar und Susanne Fürth, begingen dort im April 1938 nach Misshandlungen durch die Nazis Suizid. Ihr Sanatorium wurde vom NS-Regime enteignet – ebenso wie das Dianabad.

Durch seine Lage direkt am Donaukanal wurde das Bad in den letzten Kriegstagen schwer beschädigt. Aber nicht vollkommen zerstört. Der Badebetrieb wurde sogar ziemlich schnell wieder aufgenommen. Doch im Wien der Nachkriegszeit hatte man kein Interesse am Erhalt historisch wertvoller Bauten. So wie auch der alte Nordbahnhof verfiel das prächtige Gebäude und wurde Mitte der 1960er Jahre abgerissen.
Abriss nach Großbrand
An seine Stelle entwarf der Architekt Georg Lippert ein Bürohaus, das nach dem Hauptmieter als „IBM-Gebäude“ bekannt wurde. Auch ein Bad wurde wieder gebaut. Freilich nicht mehr an der in der Oberen Donaustraße 95, sondern um die Ecke, in der Lilienbrunngasse.
Das dritte Dianabad wurde 1974 eröffnet und hatte kein langes Leben. Mitte der 1990er Jahre war es schon so desolat, dass ein Abriss billiger als eine Sanierung kam. Und der wurde dann – wie so häufig in Wien – durch einen Großbrand noch beschleunigt.
Strauß-Operette im Schwimmbecken
Im Jahr 2000 wurde das vierte Dianabad eröffnet. Es stand wie seine Vorgänger in privaten Besitz, die Stadt Wien stützte jedoch mit fast 15 Millionen Euro auf 20 Jahre hinaus den Betrieb als „Erlebnisbad“ mit Abenteuerspielplatz und Plastikpalmen. Das Ende Förderung bedeutete dann auch das Ende des Badebetriebs. 2020 schloss das Dianabad. Zuletzt spielte März 2025 anlässlich des Strauß-Jahres die Theatergruppe „Nesterval“ im trockenen Schwimmbecken eine Strauß-Operette unter dem Titel „Fürst*in Ninetta“.
Heute gehört der gesamte Gebäudekomplex in der Oberen Donaustraße und der Lilienbrunngasse dem Raiffeisen Konzern. Am Standort des ersten und zweiten Dianabads ist IBM längst ausgezogen. Das Gebäude wird gerade komplett saniert und unter dem neuen Namen „The Frame“ vermietet. An wen, ist unklar. Raiffeisen hüllt sich in Schweigen.

Ebenso unklar ist die Zukunft des vierten Dianabads. Zurzeit bietet dort ein Fitness-Start-up Trainingsstunden an Rudergeräten an. Raiffeisen beschreibt es als „innovatives Sportkonzept für eine breite Zielgruppe“. Dass hier jemals wieder gebadet werden kann, scheint unwahrscheinlich. Von Konzerten oder Tanzveranstaltungen ganz zu schweigen.
Gedenktafel am falschen Ort
Beim Eingang zum stillgelegten Bad erinnert heute eine Gedenktafel an die denkwürdige Premiere vom Februar 1867: „An diesem Ort, im alten Dianabadsaal, erklang zum ersten Mal der Walzer ‚An der schönen blauen Donau‘ von Johann Strauß“.
Dass der legendäre Walzer damals noch gar nicht so hieß und die Uraufführung 150 Meter entfernt in einem anderen Gebäude stattfand, scheint bei der Enthüllung der Tafel niemanden gestört zu haben.
Bernhard Odehnal lernte Journalismus bei der Stadtzeitung „Falter“ und war danach als Korrespondent und Reporter für österreichische und Schweizer Medien tätig. 2025 kehrt er mit der Gründung von „Zwischenbrücken“ in den Lokaljournalismus zurück. Er lebt in der Leopoldstadt.