In einem neuen Buch dokumentiert das Wien Museum die Geschichte von „Poldi“ – dem Wal aus dem Wurstelprater.
Text: Bernhard Odehnal

Einen solchen Transport hatte Wien noch nie gesehen. Ein riesiger Wal wurde im Frühjahr 1951 quer durch die Stadt gefahren: Fast 10 Meter lang, über 3 Meter hoch und 1,3 Tonnen schwer war das Tier. Ein sechsachsiger Tieflader brachte es vom Alsergrund über Zweierlinie, Karlsplatz und Praterstraße zu seiner neuen Heimat in den Wurstelprater.
Auftrag für eine 25-jährige Architektin
Freilich: Das Tier hatte nie gelebt. Sein Innenleben war aus Holz, die Außenhaut aus hochwertigem Blech. Die damals 25-jährige Architektin Maria Benke hatte es im Auftrag eines der größten Bewirtungsbetriebe im Wurstelprater entworfen: Das Gasthaus „Zum Walfisch“ war im Krieg komplett zerstört worden, dem Brand fiel auch eine echte Wal-Rippe zum Opfer, die den Eingang zum Gastgarten gebildet hatte.
Beim Neubau wollten die Besitzer nun wieder eine Attraktion über dem Eingang bieten -und die sollten sie bekommen. Das Architektenbüro, in dem Benke arbeitete, schlug eine riesige Wal-Skulptur vor. Nicht nur die Optik erregte Aufmerksamkeit. Im Inneren des Wals war ein Schlauch mit einer Düse versteckt, sodass aus dem „Atemloch“ des Wals stündlich eine Wasserfontäne aufstieg.
Grottenbahn und Gösser-Bier
Die Geschichte des Gasthauses geht weit zurück. Bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts taucht in Berichten der Name „Zum Walfisch“ für eine Praterhütte auf. Offenbar übte das Tier in jener Zeit eine besondere Faszination auf die Menschen aus, wovon auch die Walfischgasse im 1. Bezirk erzählen kann. Dass ein Wal kein Fisch, sondern ein Säugetier ist, spielte bei der Namensgebung damals keine Rolle.
Im 19. Jahrhundert wurde der Betrieb im Prater deutlich erweitert, hinzu kamen Hutschen und die erste Grottenbahn. Der Gastgarten des „Walfisch“ wurde zum zweitgrößten nach jenem des Schweizerhauses. Anders als bei den Kolariks kam das begehrte Bier beim „Walfisch“ jedoch nicht aus Budweis, sondern aus dem Leobener Stadtteil Göss. Das blieb auch nach dem Wiederaufbau so, weshalb die Brauerei den Transport und die Aufstellung der Wal-Skulptur gleich für Werbung nutzte: „Auf zum Walfisch im Prater – Gösser Bier“.

Über 60 Jahre lang blieb der metallene Wal eines der bekanntesten Symbole des Wurstelpraters. Als das Lokal 2013 abgerissen wurde, wäre damit beinahe auch der Walfisch endgültig untergegangen. Hätte nicht Güner Ayaz, Chef der mit dem Abbruch beauftragten Baufirma, die riesige Skulptur gerettet und vorerst in seinem Bauhof in Biedermannsdorf gelagert.
Rückkehr aus Himberg nach Wien
Dort entdeckte ihn zwei Jahre später eine Passantin, die zufällig Erinnerungsstücke des Praters sammelte. Diese wiederum informierte das Wien Museum. Und das konnte den Bauunternehmer überzeugen: Das Tier solle einen würdigen Platz im umgebauten und erweiterten Museum bekommen. Nach umfangreichen Sanierungen am Inneren und Äußeren wurde der Walfisch schließlich im Juli 2022 in Himberg wieder auf einen Tieflader gehoben und quer durch Wien zum Karlsplatz gefahren.
Heute hängt er im Museum an zentraler Stelle von der Decke. Die Geschichte seiner Entstehung und die Geschichte des Lokals, in das er samt seiner Wasserfontäne einlud, ist nun vom Wien Museum in einem Buch aufgearbeitet worden.
Der Wal ist heute das meistfotografierte Objekt im Museum. Und vielleicht auch das meistverkaufte im Museums-Shop – als Kühlschrankmagnet, in Schneekugeln und auf T-Shirts.

Weil aber ein so beliebtes Tier auch einen Namen braucht, rief das Wien Museum das Publikum zu einer Online-Abstimmung auf. Zur Wahl standen: Ottilie, Poldi, Walli, Walerie oder Walburga. Warum ausgerechnet diese Namen – das bleibt das Geheimnis des Museums. Zur Freude aller war das Ergebnis eindeutig: „Poldi“. Damit bekam der Walfisch wieder einen Bezug zu seiner langjährigen Heimat – der Leopoldstadt.
Buchpräsentation: „Poldi – Die Geschichte hinter dem Praterwal des Wien Museums“
Mittwoch, 10. September 2025, 18:30 bis 20 Uhr
Wien Museum, 1040, Karlsplatz 8
Informationen: https://www.wienmuseum.at/event/2059
Bernhard Odehnal lernte Journalismus bei der Stadtzeitung „Falter“ und war danach als Korrespondent und Reporter für österreichische und Schweizer Medien tätig. 2025 kehrt er mit der Gründung von „Zwischenbrücken“ in den Lokaljournalismus zurück. Er lebt in der Leopoldstadt.