Miyra Lim pendelt zwischen 20. Bezirk, Radio und Clubnächten. Die Wiener DJ hat sich in die Szene gespielt – und spricht offen über Druck, Geschwindigkeit und ihren Weg hinter die Decks.
Text: Naz Küçüktekin, Video: Leila Renn

An diesem Samstagabend hat Miyra Lim kaum Zeit zum Durchatmen. Der erste Halt ist das Loft am Gürtel. Die Woche war voll, die Nervosität hoch. Aber es geht weiter: Nach dem Set wird sie abgeholt und fährt gemeinsam mit Freund:innen in die Pratersauna zum nächsten Auftritt. „Party non stop!“ nennt sie das – ein Rhythmus, der ihren Alltag oft bestimmt.
House und UK Garage
Lim ist in Wien geboren, stammt aus dem 21. Bezirk und lebt seit mehreren Jahren in der Brigittenau. Sie legt hauptsächlich House und UK Garage auf. Zudem ist sie Teil des Musik-Kollektivs Love-Fi und wirkt beim Projekt res:hift auf res.radio mit. Gespielt hat sie bereits im Fluc, im Sass und in der Pratersauna. Bei FM4 hat sie ebenfalls residiert.
Was ihre Sets ausmacht, beschreibt sie so: „Vor allem Black-Music.“ Hip-Hop, Soul, Funk und Latin bildeten die musikalischen Bezugspunkte ihrer Familie. Obwohl House und Garage heute ihr Kern sind, hat sie „von Experimental Musik zu Ambient, zu Jazz, zu Hip-Hop“ vieles aufgelegt.
Erste Schritte hinter die Decks
Ihr Einstieg ins DJ-Leben beginnt unspektakulär: Ihr Bruder schenkt ihr einen Controller, auf dem sie zunächst House und R&B mischt. Ein Jahr später besucht sie „Donnerdecks”, einen der frühen FLINTA-DJ-Workshops in Wien. Danach schreibt sie Menschen direkt an, um Gigs zu bekommen. „Ich habe mir gedacht, ich werde jetzt einfach dreist herumfragen, was geht“, sagt sie rückblickend.
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Ihr erster Auftritt führt sie zu einem Bezirksfest in Rudolfsheim. „Ich hatte so einen kleinen Zettel mit… wie viel BPM und welches Lied, und ich war richtig nervös“, erinnert sie sich. Als das Set gelingt, zählt für sie vor allem eines: „Jetzt habe ich das erste Mal erledigt.“
Eine entscheidende Lernphase folgt im Westen Wiens, wo sie regelmäßig vier Stunden am Stück auflegt. „Die Lernkurve war so schnell“, sagt sie über jene Zeit, in der sie Playlists überarbeitete, neue Tracks ausprobierte und rasch Repertoire aufbaute.
Danach folgen Clubgigs. Als sie das erste Mal im Sass spielt, legt sie Speed Garage auf – nicht das, was der Club erwartet hatte, wie man ihr danach mitteilt. Die spätere Einladung, als Resident bei FM4 aufzulegen, kommt für sie entsprechend überraschend.
Zwischen Auflegen und Ausbrennen
Heute versucht sie, das Leben in der Brigittenau, die Uni, Radioprojekte und mehrere Auftritte pro Nacht unter einen Hut zu bringen. Die Belastung verschweigt sie nicht: „Die Burnout ist einfach real… dieses Müde-Sein.“ Auch ihre Erfahrungen als Frau mit Migrationshintergrund in der Szene spricht sie an. „Ich fühle mich manchmal, als würde ich falsch an beiden Seiten sein… so nie genug zu sein.“ Dieses Gefühl ordnet sie als Teil ihrer Wiener Sozialisation ein.
Trotz langer Nächte und dichtem Kalender hat Mira Lim ein Ziel immer vor Augen: „Ich hoffe, dass ich dann irgendwann mal in einer Position bin, wo ich nicht aus Dringlichkeit weiterspiele, sondern aus Inspiration.“ Wer selbst mit dem Auflegen beginnen möchte, bekommt von ihr zwei Ratschläge: „Scheißt euch nichts. Ein verkackter Übergang ist ein verkackter Übergang.“ Und: „Es gibt nur einen Weg und der ist – durch.“
Miyra Lim im Video:
Naz Küçüktekin hat journalistische Erfahrungen unter anderem bei Kurier, Profil und Biber gesammelt. Sie lebt in der Brigittenau hat mehrere Preise gewonnen, unter anderem den Wiener Journalismus-Gesundheitspreis.

Leila Renn
Leila Renn studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaften in Wien. Danach arbeitete sie unter anderem als Kulturredakteurin und Podcastproduzentin für das Lokalradio der Uni Leipzig und war zuletzt als Videojournalistin bei „Puls4“ für das preisgekrönte Nachhaltigkeitsmagazin „Klimaheld:innen“ zuständig.






