Das Wichtigste beim Hockey: „Gemeinsam Spaß auf dem Platz!“
Seit 125 Jahren wird im Wiener Prater Landhockey gespielt. Zu Besuch bei einer Randsportart mit viel Familiengefühl.
Text: Bernhard Odehnal, Fotos: Chris Mavrič

Kurz vor Anpfiff des Spiels wird es auf einmal dunkel über dem Platz. Ein schweres Gewitter zieht über dem Prater auf, Blitze zucken, der Sturm beutelt die alten Pappeln, und beachtlich große Hagelkörner fallen. Erst suchen die jungen Frauen der beiden Hockeyteams noch Schutz unter dem Blechdach der Spielerbänke. Dann entscheiden die Schiedsrichter: Zu gefährlich! Alle müssen durch den strömenden Regen hinüber in die Clubräume des Gastgebers – des Wiener Athletiksport Clubs. Kurz: WAC.
An diesem Sonntagabend wäre das Spiel des HDI-WAC-Damenteams gegen Wiener Neudorf auf dem Programm gestanden. Und obwohl ein Sieg in diesem Spiel den Aufstieg ins Viertelfinale der Bundesliga bedeutet, ist die Stimmung nach dem einstweiligen Abbruch im Clubhaus doch entspannt und harmonisch. So sei das immer beim Hockey, sagt Maia Kemper, die Leiterin der Sektion Hockey beim WAC: „Klar wollen wir auch gewinnen. Aber wichtiger ist der Zusammenhalt. Wir fühlen uns als große Familie.“
Erste Hockey-Vereinigung in Österreich
Für die Sektion im WAC ist es dieses Jahr ein Jubiläum. Vor 125 Jahren wurde sie gegründet. Als erste Hockey-Vereinigung in Österreich. Den Sport hatten – wie so viele andere Sportarten – adelige Engländer auf den Kontinent gebracht. In Wien wurde er bald bemerkenswert populär. Frauen waren von Anfang an dabei, in gemischten Teams. Heute hat die Hockey-Sektion des WAC etwa 20 Teams, von den Unter-Neun-Jährigen bis zur Bundesliga.
Während draußen das Gewitter niedergeht und die Schiedsrichter im Clubhaus auf das Regenradar auf ihren Handys starren, hat Christof Kucera ein wenig Zeit, die Geschichte des Platzes an der Rustenschacherallee zu erzählen. Auf den sind die WACler nämlich besonders stolz. Das ist „unser Baby“, sagt Kucera, der technische Koordinator der Hockey-Sektion.

Denn eigentlich ist der heutige Hockey-Platz das älteste Fußballstadion Österreichs. Die Sportanlage, zu der es gehörte, galt zur Zeit seiner Errichtung um 1900 sogar als größte des Kontinents. Auf den Rängen fanden bis zu 30.000 Zuschauerinnen und Zuschauer Platz. Bis 1920 wurden hier Fußball-Länderspiele ausgetragen.
Hockey nur mehr auf Kunstrasen
Auch Hockey wurde seit Beginn auf dem Fußballrasen gespielt – bis zu Beginn der 1990er Jahre. Dann kam international eine neue Regel, die im Freien das Spiel auf Kunstrasen vorschrieb. Der Umbau war für den WAC finanziell nicht zu stemmen, und so mussten die Teams auf die Plätze anderer Vereine ausweichen, unter anderem des österreichischen Hockeyverbands an der Hauptallee.
2016 entschloss sich die Sektion jedoch, den Platz auf eigene Kosten und mit eigener Arbeitskraft zu modernisieren. Nach einem erfolgreichen Crowdfunding legten die Mitglieder selbst Hand an, gruben Drainagen, stellten Zäune auf und legten schließlich den Kunstrasen. „Da steckt sehr viel Herzblut drin“, sagt Maia Kemper mit Blick über den Platz.
Keine Zuschüsse der öffentlichen Hand
Zuschüsse der öffentlichen Hand gab es keine. Der Leopoldstädter Bezirksvorsteher Alexander Nikolai betont zwar gerne, wie wichtig ihm der Sport ist. Doch der WAC-Platz gehört nicht wie der Rest des grünen Praters der Stadt Wien – sondern dem Bund. Und so gibt es für den WAC keine Förderungen aus Wien, aber auch keine der Republik. „In Österreich geht die gesamte Sportförderung zum Fußball und Skirennen“, ärgert sich Kemper: „Für Randsportarten wie unsere bleibt da nichts mehr übrig.“
Ihr Ziel wäre die regelmäßige Teilnahme im Europacup und dies möglichst in der höchsten Liga. Doch dazu bräuchte es erst einmal eine angemessene Entlohnung für Trainerinnen und Trainer. „In Deutschland wird das bereits professionell betrieben“, sagt Kemper: „Bei uns müssen die Trainer immer noch für ein Taschengeld arbeiten.“

Kemper hat vier Töchter und einen Sohn. Alle spielen in Hockeyteams des WAC. Eine von ihnen, Carla, ist Kapitänin des Damenteams. Und das hat an diesem gewittrigen Sonntag lange genug auf seinen Einsatz gewartet. Nach einer guten Stunde zieht das Unwetter weiter. Zwar regnet es immer noch, doch der Sturm hat sich gelegt und das Donnergrollen wird schwächer.
Schwacher Beginn, starkes Finish
Die Schiedsrichter geben grünes Licht, das Spiel beginnt: Jeweils 10 Spielerinnen und eine Torfrau sind für die Teams auf dem Feld. Wie im Fußball. Bloß wird Hockey viermal je eine Viertelstunde gespielt. Für Kapitänin Carla Kemper ist das Team „wie eine zweite Familie“. Gewinnen sei schön, aber „vor allem wollen wir am Platz gemeinsam Spaß haben“. An diesem Abend beginnt der WAC ziemlich schwach, kann aber im letzten Viertel stark zulegen – und gewinnt gegen Wiener Neudorf mit 2 : 1.
Sektion Hockey des WAC: 1020, Rustenschacherallee 9
Alle Termine und Informationen: https://wachockey.clubdesk.com/verein
Bernhard Odehnal lernte Journalismus bei der Stadtzeitung „Falter“ und war danach als Korrespondent und Reporter für österreichische und Schweizer Medien tätig. 2025 kehrt er mit der Gründung von „Zwischenbrücken“ in den Lokaljournalismus zurück. Er lebt in der Leopoldstadt.
Christopher Mavrič arbeitet als Fotograf für den „Falter“ und viele andere Medien. Sein Fotoband „Zwischen Brücken“ mit Porträts und Ansichten der Brigittenau erschien 2020 in der FOTOHOF-Edition. Er ist Lehrbeauftragter für analoge Fotografie an der Fotoakademie Graz.