Seit 1936 wird in der Brigittenau das besonders vor Weihnachten beliebte Süßgebäck produziert. Ein Besuch in Wiens letzter Lebkuchenmanufaktur.
Text: Naz Küçüktekin, Fotos: Chris Mavrič

In die Dammstraße hinein, den Hof entlang und man steht vor einer Werkstatt, in der es nach Honig, Gewürzen und warmem Teig riecht. „Wiener Lebkuchen“ ist der letzte Betrieb, der in Wien noch Lebkuchen in Handarbeit herstellt.
Mehl, Honig, Zucker
Seit 1936 besteht die Manufaktur. Damals gründete Robert Kammerers Großvater den Betrieb; warum genau an diesem Ort, ist heute nicht mehr rekonstruierbar. „Die Gebäude dürften einfach gepasst haben“, der Enkel, der heute den Betrieb leitet und damit dort weiterarbeitet, wo er aufwuchs. „Ich habe hier im Hof gespielt“, zeigt er nach draußen.
Bevor die Produkte in den Verkauf gehen, beginnt der Herstellungsprozess oft mit einem einfachen Teig: Mehl, Honig, Zucker. Der Vorteig ruht, anschließend werden Gewürze und Triebmittel eingearbeitet. Der Teig wird ausgerollt, ausgestochen und gebacken. „Ganz klassisch, wie man es zu Hause auch macht“, sagt Kammerer. Erst danach entsteht durch Farben und Zuckerguss etwa das typische Lebkuchenherz.
Verkauf vor Ort
„Das Herz ist ein Klassiker“, sagt Kammerer. Manche bewahren es lange auf, andere essen es sofort. Lebkuchen sei „nahezu ewig haltbar“. Bei höherer Luftfeuchtigkeit werde er wieder weicher – „wenn es ein guter Lebkuchen ist“. Und falls ein Spruch irgendwann nicht mehr passt: „Wenn die Liebe verflossen ist, braucht man vielleicht einen Zuckerschub.“
Vierzehn Menschen arbeiten heute in der Backstube, der Schokoladen- und Schaumsüßwarenabteilung, in der Dekoration und im Büro. Produziert wird das ganze Jahr über – neben Lebkuchen auch Schokofiguren, Kokostangerl und Schaumrollen. Die Manufaktur beliefert Marktstandlerinnen, Zuckerlgeschäfte und Winotheken in ganz Österreich. Früher gelangten die Produkte fast ausschließlich über Händlerinnen in die Läden. Seit etwa 2020 können auch Einzelkund*innen direkt in der Manufaktur einkaufen.

Damit der Lebkuchen gelingt, seien die Zutaten entscheidend, betont Kammerer. Bei Wiener Lebkuchen stammt das Mehl aus einer Biomühle in Niederösterreich, das Marzipan kommt aus Deutschland. Beim Honig wird gemischt, weil es in Österreich zu wenig Bio-Honig in der notwendigen Menge gibt. „Sonst stimmt der Geschmack nicht“, sagt Kammerer. Essentiel sei natürlich auch die Gewürzmischung. „Aber die bleibt ein Betriebsgeheimnis”, sagt Kammerer.
Weinbeißer und Pfeffernüsse
Offener hingegen ist er bei der Geschichte hinter den Brigittenauer Lebkuchen. Lange als Nürnberger Lebkuchen verkauft, kam irgendwann eine Namensrechtliche Debatte ins Spiel. Und schwupps wurden daraus „Wiener Lebkuchen“ aus der Brigittenau.
Viele der Produkte haben eine eigene Entstehungsgeschichte. Die Weinbeißer etwa wurden früher bei Heurigen angeboten, als dort noch kein Essen serviert wurde. Die süß-würzige Mischung passte zum Veltliner – und tut es bis heute. Die Pfeffernüsse erhielten ihren Namen, weil Gewürze früher allgemein als „Pfeffer“ bezeichnet wurden und in hoher Dosierung Schärfe entwickeln konnten.

Von diesen traditionellen Sorten führt der Jahresablauf weiter in die Gegenwart des Betriebs. Im Frühjahr wird renoviert und an Rezepturen gearbeitet. Zu Ostern entstehen Schokoladenfiguren, ab Spätsommer beginnt die Lebkuchenproduktion für den Herbst. Dann erfüllt der Geruch von Gewürzen und Honig wieder die Räume. Ein Handwerksbetrieb, der seit Jahrzehnten am selben Ort arbeitet und dessen Produkte weiterhin gefragt sind.
Link: http://www.wiener-lebkuchen.at
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Naz Küçüktekin hat journalistische Erfahrungen unter anderem bei Kurier, Profil und Biber gesammelt. Sie lebt in der Brigittenau hat mehrere Preise gewonnen, unter anderem den Wiener Journalismus-Gesundheitspreis.
Christopher Mavrič arbeitet als Fotograf für den „Falter“ und viele andere Medien. Sein Fotoband „Zwischen Brücken“ mit Porträts und Ansichten der Brigittenau erschien 2020 in der FOTOHOF-Edition. Er ist Lehrbeauftragter für analoge Fotografie an der Fotoakademie Graz.







