Der alte Mistplatz an der Dresdner Straße ist Geschichte, einer neuer soll in die Freie Mitte an der Innstraße. Doch wann der kommt, bleibt ein großes Geheimnis.
Text: Naz Küçüktekin

Mehr als fünf Jahre ist es her, dass der einzige Mistplatz innerhalb des Gürtels seine Tore schloss. Im März 2020 machte die MA 48 die Anlage in der Dresdner Straße dicht – zunächst,mit dem Argument, dass die Gefahr der Ansteckung mit dem Coronavirus zu groß sei. Nach der Pandemie war dann von Sicherheitsproblemen die Rede: Die enge Ein- und Ausfahrt sowie die Verkehrssituation auf der Dresdner Straße ließen keinen sicheren Betrieb mehr zu, so die MA 48. Ein Umbau wäre aufwendig, denn das Gebäude stammt aus dem Jahr 1910, diente einst als Leichenhalle und steht unter Denkmalschutz.
Koalition legt sich auf „Grätzlmistplatz“ fest
Anrainer:innen und Bezirkspolitiker:innen – allen voran Bezirksvorsteher-Stellvertreter Bernhard Seitz von den Grünen – hielten dennoch lange an einer Wiedereröffnung des alten Standorts fest. Viele verstanden nicht, warum man die Anlage nicht modernisieren könne, statt einen neuen Mistplatz in der Freien Mitte an der Innstraße zu errichten. Doch nach den Gemeinderatswahlen im April legten sich Stadt und MA 48 schließlich auf diesen Standort fest.
Auch im Regierungsprogramm von SPÖ und NEOS ist er verankert: „Für die Bewohner*innen des 2. und 20. Bezirks soll ein neuer Grätzlmistplatz in der Innstraße entstehen. Die „grüne Mitte“ würde dabei ohne Flächeneinbuße erhalten bleiben, betont man im Büro des zuständigen Stadtrats Jürgen Czernohorszky auf Anfrage von Zwischenbrücken.
Kritik an fehlender Transparenz
Der alte Standort an der Dresdner Straße soll indes umgewidmet werden. Zwischen der stark befahrenen Straße und den S-Bahn-Gleisen sollen künftig Wohnungen entstehen. Die Flächenwidmungspläne wurden bereits im Planungsausschuss beschlossen, die Zustimmung von Stadtsenat und Gemeinderat gilt als Formsache.
Von den Grünen Leopoldstadt kam heftige Kritik: Bernhard Seitz sprach von einem „auf Autos ausgelegten Mega-Mistplatz direkt an der Freien Mitte“ und warf Umweltstadträtin Ulli Sima vor, „der Leopoldstadt dieses Projekt aufs Aug zu drücken“. Der neue Standort sei „völlig überdimensioniert“ und gefährde die Lebensqualität im dicht bewohnten Viertel. Außerdem bleibe die Stadt „seit Jahren jede Transparenz über die tatsächlichen Planungen schuldig“ – obwohl die Bezirksvertretung einstimmig für eine Sanierung des alten Mistplatzes gestimmt habe.

Hannes Unger ist Anrainer im Nordbahnviertel und gründete eine Initiative gegen den Standort in der Freien Mitte. Er kritisiert das Vorgehen der Stadt und verlangt die Errichtung eines neuen Mistplatzes am alten Standort an der Dresdner Straße: „Wir verstehen nicht, warum dort Platz für Wohnungen, aber keiner für einen Mistplatz sein soll.“ Zudem fehle bis heute jede Information über die konkrete Ausgestaltung: „Wir wissen nicht, ob der neue Mistplatz offen, überdacht oder begrünt sein soll.“
Kein Zeitplan für den Neubau
Den alten Standort will Unger noch nicht aufgeben. Gemeinsam mit anderen Anrainer:innen startete er im Frühjahr eine Petition – die allerdings nicht über die offizielle Seite der Stadt lief und daher abgewiesen wurde. Der zweite Anlauf war dann erfolgreich: Diese Woche wurde Ungers Petition doch noch freigegeben. Sie kann nun auf der Homepage der Stadt Wien abgerufen und unterzeichnet werden. „Wir wollen auch wieder einen Mistplatz“, betont der Initiator, „aber bitte mit klaren Informationen und ohne zusätzliche Belastung für die Anrainer:innen.“
Auf Nachfrage zum aktuellen Stand gibt sich die MA 48 zurückhaltend: „Wir befinden uns derzeit in der Planungsphase für das rund 6.500 m² große Areal. Der neue Mistplatz wird jedenfalls mit Solarpaneelen und Gebäudebegrünung geplant“, heißt es aus der Pressestelle. Einen Zeitplan gibt es jedoch noch nicht. Ein Interview zu dem weiteren Vorgehen verweigerte zuletzt auch das Büro von Stadtrat Czernohorszky.
Bis die Bewohner:innen ihren Müll wieder im eigenen Grätzl entsorgen können, dürfte also noch einige Zeit vergehen.
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Naz Küçüktekin hat journalistische Erfahrungen unter anderem bei Kurier, Profil und Biber gesammelt. Sie lebt in der Brigittenau hat mehrere Preise gewonnen, unter anderem den Wiener Journalismus-Gesundheitspreis.