Der Leiter der Mobilitätsagentur, Martin Blum, spricht über die Leopoldstadt als Radler:innenbezirk und die Zukunft der Radinfrastruktur in der Brigittenau
Interview: Bernhard Odehnal

Seit nunmehr 14 Jahren kümmert sich der aus der Steiermark stammende Martin Blum um die Radinfrastruktur in Wien. 2011 machte ihn die damalige grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou zum Radverkehrsbeauftragten. Zwei Jahre später wurde sein Aufgabenbereich um die Agenden für Fußgänger erweitert und er zum Geschäftsführer der „Mobilitätsagentur“.
Die Mobilitätsagentur hat ihr Büro mitten im trendigen Karmeliterviertel im 2. Bezirk. Das Interview mit Blum findet jedoch an einem der Hotspots des Radverkehrs statt – auf dem Praterstern.
Zwischenbrücken: Martin Blum, wir sitzen im Café Engländer auf dem Praterstern. Bist du mit den Radwegen hier zufrieden?
Martin Blum: Wir haben die Radwege rund um den Praterstern stark verbessert. Die Praterstraße und die Lasallestraße sind zum Rad-Highway ausgebaut, mit vier bis fünf Meter Breite. Das ist Top-Standard. Es gibt viel mehr Flächen, die dem Radverkehr zur Verfügung stehen.
Es geht um den Praterstern: Das sogenannte Hansy-Eck bei der Heinestraße ist immer noch eine Engstelle, wo sich Fußgänger und Radfahrer im Weg sind. Die Ausfahrt vom Praterstern in die Nordbahnstraße wurde zwar auf eine Fahrspur verkleinert, aber die Wartezeit an der Ampel ist für Radler noch immer sehr lang.
Die Ampelschaltung bei der Nordbahnstraße wird jetzt beobachtet. Da laufen noch Untersuchungen, wie das verbessert werden kann.
Wozu Untersuchungen? Man könnte einfach die Grünphase für Radler verlängern.
Na ja, die Stadt muss da unterschiedliche Interessen berücksichtigen: Fußgänger, öffentliche Verkehrsmittel, Autoverkehr. Es kann nicht das Ziel sein, dass die Autos am Praterstern im Stau stecken. Und das Hansy-Eck wurde verbessert. Trotzdem ist das immer noch eine Engstelle.

An den fünf bis sechs Autofahrspuren wurde nichts geändert. Und den restlichen Platz müssen sich Öffis, Fußgänger und Radler teilen. Ist der Praterstern damit nicht ein gutes Beispiel, dass die Stadt den Autofahrer bloß nicht wehtun will?
Da ist doch schon einiges an Umgestaltung gemacht worden. Aber es geht nicht alles auf einmal. Und das habe ich in meinem Job gelernt, dass das eine Wiener Qualität ist: dieses schrittweise Vorangehen. In einigen Jahren werden wir möglicherweise über neue Maßnahmen reden, auch über die Engstellen am Praterstern.
Werden wir dann auch über die Radinfrastruktur im Nordbahnviertel reden? Da gibt es ja auch einige Problemstellen.
Wir bekommen viel Kritik zur Bruno-Marek-Allee, über dieses breite Asphaltband mit der Straßenbahn und dem Radfahrstreifen. Das Nordbahnviertel ist halt auch schon einige Jahre alt und seither hat sich die Radverkehrsplanung stark verändert. Damals hat man noch sehr viele Mehrzweckstreifen errichtet. Damit haben wir komplett aufgehört in Wien.
So wie in der Bruno-Marek-Allee würde man also heute nicht mehr bauen?
Genau. Wir bauen jetzt in den neuen Stadtteilen nur mehr richtige Radwege. Als das Nordbahnviertel entwickelt wurde, war das noch anders. Aber bei der Verlängerung der Taborstraße hat Stadträtin Ulli Sima einen Zweirichtungsradweg veranlasst.

Wobei es dann gerade im Bereich des Christine-Nöstlinger-Schulcampus doch wieder einen gemischten Fuß- und Radweg gibt. Obwohl das doch nicht mehr gebaut werden sollte?
Dort sollte eigentlich auch das Befahren der Straßenbahngleise erlaubt sein. Das sehe ich mir an.
Apropos neuer Stadtteil: Ist schon fix, welche Radinfrastruktur im neuen Nordwestbahnhofviertel kommen wird?
Wir haben beim Verkehrskonzept Nordwestbahnhof mitgewirkt und auch bei der Radwegführung. Die Radwege in der Nordwestbahnstraße, der Taborstraße und auch innerhalb des Grätzl werden in einem sehr hohem Standard gebaut.
„Verbesserte Infrastruktur wird angenommen“
Abseits des Nordwestbahnviertels geht in der Brigittenau beim Ausbau der Radinfrastruktur doch erstaunlich wenig weiter?
Aber im zweiten Bezirk ist in den letzten vier, fünf Jahren mehr weitergegangen denn je. Es gibt den Radweg in der Kleinen Sperlgasse, wir haben die Augartenbrücke verbessert und verbreitern jetzt den Radweg in der Rembrandt-Straße. Und neben der verlängerten Straßenbahnlinie 18 kommt ein super Radweg in der Meiereistraße durch den Prater. Das sind riesige Schritte und wir sehen das Ergebnis: Der zweite Bezirk ist jetzt einer von drei Bezirken mit dem meisten Radverkehr in Wien. Es zeigt: Eine verbesserte Radinfrastruktur wird angenommen.
Wollten wir nicht über die Brigittenau reden?
Auch im 20 Bezirk ist was weitergegangen. In der Lorenz-Müller-Gasse wurde ein schöner Radweg gebaut und die Verbindung in den 19. Bezirk verbessert. Es wurde auch eine Rampe zum Donaukanal gemacht. Es gibt eine Fahrradstraße in der Meldemannstraße und die Treustraße erhielt eine Fußgänger:innenzone mit Radlerlaubnis.
In der Vorschau auf die nächsten Jahre ist aber kein einziges Projekt im 20. Bezirk gelistet. Warum nicht?
Wir haben Projekte, aber die sind noch in Ausarbeitung und deswegen können wir dazu noch nichts sagen.
Steinitz-Steg wird gesperrt
In naher Zukunft soll der Steinitz-Steg über die Donau für Radfahrer gesperrt werden, weil dort wegen der Sanierung der Nordbrücke die Autos fahren werden. Ist das fix?
Es gab schon bei der Errichtung des Steinitz-Stegs die Übereinkunft, dass die Asfinag den wieder für den Autoverkehr benutzen kann, wenn die Nordbrücke saniert werden muss. Seither ist der Radverkehr viel stärker angestiegen als erwartet. Das ist erfreulich. Ein großer Teil des Radverkehrs über die Brücke ist Freizeitverkehr, den können wir mit Begleitmaßnahmen auf andere Brücken verlagern – mit wenig Komfortverlust. Es wird derzeit gerade an einem Umleitungskonzept gearbeitet.
Die Sperre des Steinitz-Stegs ist also fix und es geht nur noch um die Frage, welche Brücke Radler alternativ benützen können?
Genau. Aber wir bereiten uns vor und wenn die Maßnahmen fixiert sind, werden wir das kommunizieren.
Noch einmal Brigittenau: Wie könnte eine optimale Radinfrastruktur in der Wallensteinstraße aussehen?
Die Wallensteinstraße ist quasi das Herz des 20. Bezirks und wird durch das Nordwestbahnhofviertel noch mehr Bedeutung bekommen. Es ist wichtig, dass sie insgesamt aufgewertet wird, mit Begrünung und besseren Bedingungen für den Radverkehr. Aber im Moment gibt es dazu keine Neuigkeiten.
Bernhard Odehnal lernte Journalismus bei der Stadtzeitung „Falter“ und war danach als Korrespondent und Reporter für österreichische und Schweizer Medien tätig. 2025 kehrt er mit der Gründung von „Zwischenbrücken“ in den Lokaljournalismus zurück. Er lebt in der Leopoldstadt.