Hier lebten Zöllner, Gastwirtinnen, Anwälte und Tänzerinnen. Wer wird jetzt in eines der ältesten und bekanntesten Häuser der Leopoldstadt einziehen?
Text: Bernhard Odehnal
„Hier war schon alles mögliche drinnen“, sagt Thomas Plesiutschnig, Makler bei Raiffeisen-Immobilien: „Ein Gasthaus, eine Schokoladefabrik, ein Tanzstudio. Und so um 1980 herum haben die damaligen Besitzer ein Schwimmbad einbauen lassen.“ Ein Schwimmbad? Der Makler nickt und zeigt mir den Weg.
Tatsächlich: In einem großen Gerwölberaum im Erdgeschoß wurde ein Schwimmbecken eingebaut. Etwa zehn Meter lang und gut zwei Meter tief. Durch eine Tür geht es weiter zu einer Sauna im Nebenraum. Beides wirkt ziemlich unpassend in einem der ältesten Häuser der Leopoldstadt.
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Wir stehen im alten Mauthaus an der Kreuzung Am Tabor und Taborstraße. Im Bezirk kennt wohl fast jede und jeder das Haus von außen, schon aufgrund seiner markanten Lage etwas unterhalb des Straßenniveaus. Nur wenige haben sein Inneres gesehen. Makler Plesiutschnig gibt mir jetzt diese Möglichkeit, denn das Mauthaus steht zum Verkauf. Und das Gebäude bietet auch abgesehen vom Schwimmbad einige Überraschungen.
Grüner Innenhof und offene Kamine
Vor allem: Es ist viel größer, als man es ihm von außen ansieht. Von innen hat es den Charakter von Vierkanthöfen, wie man sie aus dem Mühl- oder Innviertel kennt. Es gibt einen grünen Innenhof, enorm große Räume mit offenem Kamin im ersten Stock, enge Wendeltreppen und historische Gewölbedecken. „Zu Beginn musste ich mich erst einmal orientieren, damit ich mich nicht im Haus verlaufe“, erzählt Plesiutschnig.

Als das Haus 1698 gebaut wurde, stand es noch direkt am Flussufer. Wo heute die Straßenbahnlinie 5 fährt, floss bis zur großen Regulierung im 19. Jahrhundert ein Arm der Donau: Das Fahnenstangenwasser. Über das Wasser führte die einzige Donaubrücke hinüber auf die Insel „Zwischenbrücken“ und von dort weiter nach Floridsdorf. Am südlichen Brückenkopf wurden im Mauthaus die Wegegebühren eingehoben. In einer Kapelle im Haus stand eine Statue des Brückenheiligen Nepomuk.
Feuer und Revolution
1729 fiel das Mauthaus einem Brand zum Opfer, wurde im Jahr danach aber wieder aufgebaut. Im Revolutionsjahr 1848 war hier der Zugang zur Donaubrücke hart umkämpft. Danach soll der kaisertreue Fürst Windisch-Graetz im Mauthaus ein Standgericht gegen die aufständischen Arbeiter und Studenten eingerichtet haben.
Die Flussregulierung in den 1870er Jahren trennte das Mauthaus vom Wasser. Die Donau fließt in ihrem neuen Bett abseits der Innenstadt. Das neu gewonnene Land wurde bebaut, aber erst noch aufgeschüttet, um gegen Hochwasser geschützt zu sein. Seither liegt der Eingang zum Mauthaus unter dem Straßenniveau. Das Türmchen auf dem Dach wurde später abgetragen, die Hauskapelle aufgelassen. Die Statue des heiligen Nepomuk wanderte in eine neue Kapelle an der Taborstraße, wo sie heute noch steht.

Nach verschiedenen Nutzungen – unter anderem als Schokoladenfabrik in den 1950er Jahren – wurde das Mauthaus unter Denkmalschutz gestellt. Trotzdem verfiel es immer mehr und stand kurz vor dem Abbruch. 1979 kauften es ein Rechtsanwalt und seine Frau, ließen es komplett sanieren und im rückwärtigen Trakt, dort wo früher die Pferdeställe waren, ein Schwimmbecken und eine Sauna einbauen.
Dachstuhl aus dem 18. Jahrhundert
Später zog eine der ersten Internetfirmen Wiens im Haus ein. Doch an der Einrichtung wurde nichts mehr verändert. Die Fensterrahmen, Türbeschläge und Bodenfließen strahlen heute noch die Ästhetik der 1980er Jahre aus. Der mächtige Dachstuhl ist allerdings original – mit Holzbalken aus dem 18. Jahrhundert.
Ein Raum im Erdgeschoß wurde zuletzt als Tanz- und Yogastudio verwendet. Eine Wand ist verspiegelt, in einer Nische sind grüne Yogamatten gestapelt. Sonst ist das Haus mit seinen 720 Quadratmetern Wohnfläche weitgehend leer.
Baujuwel mit Nachteilen
Um 2,6 Millionen Euro wollen die derzeitigen Besitzer das Mauthaus verkaufen. Es gebe ernsthafte Interessenten, sagt der Makler: „Es ist ja wirklich ein einmaliges, historisches Baujuwel.“ Die zentrale Lage, die auf der Homepage von Raiffeisen Immobilien angepriesen wird, hat freilich auch Nachteile: Dicht vor den Fenstern des tiefliegenden Erdgeschoßes braust der Verkehr vorbei. Und wenn die Straßenbahnen der Linien 2 und 5 über die Kreuzung rattern, dann vibrieren im Mauthaus die Fensterscheiben.
Bernhard Odehnal lernte Journalismus bei der Stadtzeitung „Falter“ und war danach als Korrespondent und Reporter für österreichische und Schweizer Medien tätig. 2025 kehrt er mit der Gründung von „Zwischenbrücken“ in den Lokaljournalismus zurück. Er lebt in der Leopoldstadt.