Wie Österreichs bekannteste Band zu ihrem Namen kam – und wer die wilde Frau war, die ihn tatsächlich getragen hat.
Text: Bernhard Odehnal

„Ich hatte in fast allen Lokalen, die ich eigentlich mochte, Lokalverbot. Auch im damaligen Shabu in der Rotensterngasse, das in den 1970er Jahren ein Bordell der ‚wilden‘ Wanda Kuchwalek gewesen war.“
Das schreibt Marco Wanda, Leadsänger der Band „Wanda“, in seiner neuen Autobiographie. Sie trägt den Titel „Dass es uns überhaupt gegeben hat“, und gleich auf den ersten Seiten steht die Geschichte, wie Wanda zu seinem Namen kam.
Die einzige Wiener Zuhälterin
Das war vor 15 Jahren. Michael „Marco“ Fitzthum war damals 23, und saß mit seinem Freunden oft im Lokal „a bar shabu“. „Meist an einem Ecktisch“, erinnert sich der damalige Besitzer, Georg Aichmayer. „Sie wollten ständig Blues hören und haben dazu ziemlich viel getrunken, aber bei dem Publikum damals fiel das überhaupt nicht auf“.
Dass Fitzthum Lokalverbot gehabt hätte, sei falsch, sagt Aichmayer. Er erinnert sich allerdings ganz genau, wie er dem angehenden Musiker die Geschichte der Wanda Kuchwalek erzählte – der einzigen Zuhälterin in der Wiener Rotlicht-Szene der 1960er und 70er Jahre.
Marco Wanda liegt falsch
Damals hieß das spätere „shabu“ noch „Café Kärnten“, und Kuchwalek hatte hier quasi ihr Büro. „Hier haben Huren, Zuhälter, diverse andere Kriminelle verkehrt, aber auch Magistratsbeamte und Taxler“, erzählt Aichmayr. „Bordell“, wie Marco Wanda in seinem Buch behauptet, sei das „Kärnten“ keines gewesen, „sondern eher ein typisches Tschocherl.“ Wie es damals noch viele gab, im berüchtigten Rotlichtviertel zwischen Tabor- und Praterstraße.
Aber wer war diese Wanda? Und was machte sie so wild?
Gertrude „Wanda“ Kuchwalek wurde 1947 in Wien im Kreis einer Zirkustruppe geboren. Ihre Mutter arbeitete als Akrobatin, der Vater war vermutlich ein sowjetischer Besatzungssoldat. Mit 6 Jahren wurde sie in ein von Ordensschwestern geführtes Erziehungsheim in Wiener Neudorf gesteckt. Wie brutal die Schwestern dort mit den Kindern umgingen, deckte der Journalist Hans Weiss erst 2012 im Buch „Tatort Kinderheim“ auf. Auch Wanda musste dort Zwangsarbeit verrichten, wurde geschlagen und vermutlich auch vergewaltigt.
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Schon früh zeigte sich jedoch, dass sie sich nichts gefallen ließ und auf Gewalt mit Gewalt antwortete. Sie fiel auf. Durch ihre Größe, ihre herbe Schönheit, ihre Brutalität. Und auch, weil sie ihre Liebe zu Frauen nicht versteckte. Im Österreich der 1960er Jahre war das ein Tabubruch. Wie Kuchwalek selbst in späteren TV-Dokumentationen schilderte, kam sie mit 19 Jahren in der Leopoldstadt zum ersten Mal in Kontakt mit Prostituierten. Sie hatte Verhältnisse mit ihnen, ließ sie aber auch für sich arbeiten. So wurde sie zur ersten Frau in der Welt der Zuhälter.
Die war damals von Unterweltgrößen dominiert, die Spitznamen wie „der G’schwinde“, „die Schmutzer-Buam“ oder „Notwehr-Krista“ trugen, und manchmal auf der Praterstraße aufeinander schossen. Keiner von ihnen wurde alt. Die Leopoldstadt war damals ähnlich verrufen wie das Chicago der 1930er Jahre.
Die Stahlrute im Stiefel
Kuchwalek aber wusste sich in dieser Gesellschaft durchzusetzen. Schon durch ihr Äußeres. Sie trug meistens Sakko, Schlapphut und Cowboy-Stiefel, in denen eine ausziehbare Stahlrute steckte. Messer und Pistole gehörte für sie zur Grundausstattung und wurden auch verwendet.
Gefürchtet waren Kuchwaleks Gefühlsschwankungen, häufig ausgelöst durch Alkohol und Aufputschmittel. Sie konnte ohne ersichtlichen Grund plötzlich explodieren. Dann flogen kräftige Männer durch geschlossene Lokaltüren, und Frauen endeten mit zerschnittenen Gesichtern im Spital.
„Sie konnte lieb und gleich darauf irrsinnig brutal sein. Dennoch finde ich sie toll“
(Autorin Gabriele Hasmann über Wanda Kuchwalek)
Das war freilich nur die eine Seite der „wilden Wanda“. Menschen, die damals mit ihr zu tun hatten, erzählten auch von einer charmanten und charismatischen Frau. Kuchwalek sei bemerkenswert ambivalent gewesen, sagt die Autorin Gabriele Hasmann, die gemeinsam mit Sabine Wolfgang das Buch „Die wilde Wanda und andere gefährliche Frauen“ schrieb: „Sie konnte lieb und gleich darauf irrsinnig brutal sein. Dennoch finde ich sie toll“.
Dreizehnmal Haftstrafen
Sogar die Polizei respektierte die Zuhälterin auf ihre Art. Und mit der Exekutive und der Justiz hatte Kuchwalek sehr oft zu tun. Dreizehnmal wurde sie zu Gefängnisstrafen verurteilt, wegen Diebstahls und Körperverletzung.
Kuchwalek musste die Frauen, die für sie auf den Strich gingen, nicht dazu zwingen. Oft taten sie es aus Zuneigung. Doch das konnte tödlich enden. Zwei Sexarbeiterinnen begingen Suizid, weil ihre Liebe von Wanda nicht erwidert wurde. Eine stürzte sich aus dem Fenster von Kuchwaleks Wohnung in der Brigittenau.

In den 1980er und 1990er Jahren übernahmen Banden aus Jugoslawien und der Türkei die Wiener Rotlichtszene. Für Kuchwalek war die wilde Zeit damit vorbei. Sie zog sich immer mehr zurück. In ihrem „Büro“ im Café Kärnten tauchte sie kaum noch auf. Häufiger dafür im Leopoldistüberl in der Leopoldsgasse. Die Stammgäste von damals erinnern sich heute noch an die Frau, die meistens in der Ecke saß und sich still betrank.
Interview mit Stermann und Grissemann
Zuletzt saß sie hauptsächlich im Café Amigo in der Engerthstraße. Das lag nur wenige Meter von ihrer Wohnung in der Engerthstraße entfernt. Dort wurde sie 1995 vom jungen Duo Stermann und Grissemann für die ORF-Sendung „Frau Pepi und die Buben“ interviewt. Kuchwalek war sichtlich vom Alkohol und Nikotin gezeichnet. Die einstige Größe des Wiener Rotlichtmilieus lebte in ihren letzten Jahren von der Sozialhilfe und hatte kaum genug Geld um sich und ihre zwei Hunde zu ernähren. Gertrude „Wanda“ Kuchwalek starb am 4. 9. 2004 im Alter von 57 Jahren.
Michael Fitzthum und seine Musikerkollegen sogen diese Geschichte Jahre später auf, und machten sie sich zu eigen. „Wir waren ein wilder Haufen, benannt nach der wilden Wanda Kuchwalek“, schreibt Fitzthum in seiner Autobiographie. Selbst kam Fitzthum zwar aus einer gutbürgerlichen Familie mit Wochenendhaus im Waldviertel. Doch in den schmuddeligen Lokalen in der Leopoldstadt konnte er sich zwischen Bikern, Polizisten, Müllmännern und den Zuhälter-Geschichten wie im Underground fühlen.
„Arschloch mit Hut“
In seiner Autobiographie berichtet Fitzthum von einer Szene in der „bar shabu“: „Eine Kellnerin zeigte mir damals einen Zettel, auf dem ein Kollege ‚Arschloch mit Hut – Lokalverbot‘ vermerkt hatte. Wenn ich betrunken war, kam eine verletzte Seite in mir hoch.“
Das Leopoldistüberl wurde schließlich zum Stammbeisl der jungen Musiker. Der Ort war praktisch. Genau gegenüber hatte der Produzent Paul Gallister Wohnung und Studio, dort entstanden viele Wanda-Songs, danach ließ man sich im Leopoldistüber volllaufen. Im Buch beschreibt Marco Wanda seinen Stammtisch im hintersten Winkel des Lokals. Irgendwann habe ihm der Wirt dann erzählt, dass die wilde Wanda „in ihrer Zeit immer am selben Platz gesessen war wie ich“.
Billiger Wein und Dosenbier
Ehemalige Stammgäste des Leopoldistüberl erinnern sich sowohl an die echte Wanda als auch an die Popband mit demselben Namen und ihre Alkoholexzesse, meist mit billigem Wein. Der Wirt habe sich den Namen Marco nicht merken können und den Leadsänger „Angelo“ gerufen, erzählt einer. Und nach der Sperrstunde „sind die immer noch weiter zum türkischen Greißler, um Bierdosen zu kaufen“.
Was ist heute aus den Lokalen geworden?

Die Besitzer des Leopoldistüberl gingen in Pension. Sie fanden im aufstrebenden Karmeliterviertel junge Nachfolger. Heute heißt das Lokal „Leo“, hat eine neue Bar und einen sauberen Holzboden. Aus den Boxen tönen französische Chansons und Rodrigez. Alte Stammgäste kommen aber immer noch vorbei.
Kuchwaleks letztes Stammlokal, das Café Amigo, gibt es nicht mehr. Zwar hängen noch die Schilder mit der verschnörkelten Schrift an der Hausfassade. Aber die Tür ist versperrt, durch die schmutzig trüben Fensterscheiben blickt man in einen leergeräumten Innenraum.
Café Kärnten wurde Cocktailbar
Wanda Kuchwaleks ehemaliges „Büro“ in der Leopoldstädter Rotensterngasse hat mehrmals Besitzer und Namen gewechselt. Während Georg Aichmayer mit seiner „a bar shabu“ noch bemüht war, die Einrichtung und Atmosphäre der wilden 1970er zumindest optisch zu erhalten, bauten seine Nachfolger die Räume komplett um. An Wanda erinnert hier nichts mehr – weder an die Zuhälterin noch an die Band. Das Lokal ist jetzt eine Cocktailbar und heißt „Franz von Hahn“, benannt nach einem Kinderbuch.
Bücher:
G. Hasmann und S. Wolfgang: „Die wilde Wanda und andere gefährliche Frauen“, Ueberreuter Verlag, Wien 2020
Clemens Marschall: „Wilde Wanda“. Brandstätter Verlag, erscheint im Oktober 2025
Marco Wanda: „Dass es uns überhaupt gegeben hat“. Zsolnay Verlag, Wien 2025
Bernhard Odehnal lernte Journalismus bei der Stadtzeitung „Falter“ und war danach als Korrespondent und Reporter für österreichische und Schweizer Medien tätig. 2025 kehrt er mit der Gründung von „Zwischenbrücken“ in den Lokaljournalismus zurück. Er lebt in der Leopoldstadt.