In Favoriten wurde es zu eng. Deshalb produziert „Soda Lingerie” seine nachhaltige Unterwäsche ab sofort in der Praterstraße.
Text: Naz Küçüktekin, Fotos: Christopher Mavrič

„Wir hatten mal eine Garderobe, aber die mussten wir zweckentfremden“, sagt Severin Wiesbauer fast entschuldigend zur Begrüßung. Dass das Atelier längst aus allen Nähten platzt, sieht man sofort.
Kaum ein freier Zentimeter ist zu finden. Stoffe bedecken die Tische, dazwischen blockieren Nähmaschinen den Platz. An den Wänden stapeln sich Regale, aus denen Spitzen, Fäden und Schnittmuster hervorquellen. Acht Menschen fertigen hier Tag für Tag Unterwäsche, zumindest noch. Denn im September, wenn dieser Artikel erscheint, ist Soda Lingerie bereits in eine größere Werkstatt in der Leopoldstadt umgezogen. Geplant war das ursprünglich nicht.
Nähen im Wohnzimmer
Das Label entstand während des ersten Lockdowns 2020. Susanna Gangl, die schon als Kind an der Nähmaschine ihrer Mutter das Nähen lernte, begann damals im Wohnzimmer zu nähen, mit Deadstock-Stoffen, also Restbeständen der Textilindustrie. Die ersten Stücke waren Kleinstserien, gedacht als Versuch, nicht als Geschäftsmodell. Ihr Freund Severin Wiesbauer unterstützte sie anfangs nur nebenbei, bis er schließlich seinen Job in der Privatwirtschaft aufgab, um ganz bei Soda einzusteigen.
Der Online-Shop, mitten in der Pandemie gestartet, brachte die Stücke schnell in Umlauf. Mit jeder Bestellung wuchs der Anspruch. Bald standen Kund:innen vor der Tür, um direkt anzuprobieren. Ein Shop in der Neubaugasse sowie das kleine Atelier in Favoriten folgten. Nun sind beide schon wieder zu klein.
Lokal, transparent und nachhaltig
Der Name Soda erinnert nicht an Mode, sondern an ein Lokal im Heimatort der Gründer. Leicht, schlicht, unaufgeregt, so wie ihr Zugang. Drei Jahre später ist aus der Wohnzimmer-Idee ein Unternehmen geworden, das nicht nur Unterwäsche produziert, sondern auch eine Haltung vertritt: lokal, transparent, nachhaltig.
Die Stoffe stammen bis heute überwiegend aus Restbeständen. „Es ist für kleine Hersteller oft wirklich schwierig, überhaupt die Mindestbestellmengen großer Produzenten zu erfüllen“, erklärt Gangl, die auch die Designs entwirft. Trotz wachsender Bekanntheit zählt Soda mit seinem achtköpfigen Team weiterhin zu den kleinen Playern.

Wichtig ist den beiden, dass die Stücke nicht nur schön aussehen, sondern lange halten. Deshalb näht Soda aufwändiger und stabiler, als es in der Massenproduktion üblich wäre. Produziert wird in Wien. Jeder Schnitt und jede Naht entsteht im eigenen Atelier.
Zur Philosophie gehört auch ein Reparaturservice: Kund:innen können Stücke zurückbringen, gelöste Nähte werden kostenlos repariert, bei abgenutzten Gummis bietet Soda günstige Erneuerungen an. Ziel ist Langlebigkeit statt Neukauf, ein Gegenentwurf zu einer Branche, die von Konsum und Schnelllebigkeit lebt. „Wir machen auch nicht wirklich Kollektionen. Sachen, die sich bewähren, bieten wir einfach dauerhaft an“, sagt Gangl.
In Zukunft auch Männermode
Mittlerweile umfasst das Sortiment neben Unterwäsche auch Bademode und Loungewear. Künftig soll Männermode hinzukommen. „Zumindest Männerbademode, für Unterwäsche geben Männer tendenziell weniger aus“, erzählen die beiden. Mit 45 Euro für eine Unterhose oder 105 Euro für einen BH liegen die Teile im höheren Preissegment.
Ihre Kund:innen, neben Wien ist Berlin der wichtigste Markt, sind dennoch bereit, die Preise zu zahlen. Für das Team ist das Bestätigung und Ansporn zugleich. Denn so sehr das kleine Atelier im Sonnwendviertel den Anfang geprägt hat, die Grenzen sind erreicht.
Mit dem Umzug in die Leopoldstadt, konkret in den fünften Stock des Postverteilerzentrums in der Praterstraße, beginnt für Soda Lingerie nun das nächste Kapitel – mit Platz für eine Garderobe.
Naz Küçüktekin hat journalistische Erfahrungen unter anderem bei Kurier, Profil und Biber gesammelt. Sie lebt in der Brigittenau hat mehrere Preise gewonnen, unter anderem den Wiener Journalismus-Gesundheitspreis.
Christopher Mavrič arbeitet als Fotograf für den „Falter“ und viele andere Medien. Sein Fotoband „Zwischen Brücken“ mit Porträts und Ansichten der Brigittenau erschien 2020 in der FOTOHOF-Edition. Er ist Lehrbeauftragter für analoge Fotografie an der Fotoakademie Graz.