Wem der Herbst gar zu grau wird, dem kann mit einem stimmungshebenden Besuch in der Polster-Boutique von Constanze Fischer und Katharina Hajos geholfen werden.
Text und Fotos: Ernst Schmiederer

Eigentlich, „also im Quellberuf“, seien sie Drehbuchautorinnen, erzählt Constanze Fischer (61). Und muss über ihre Wortwahl gleich selber lachen: „So nennt man das doch, Quellberuf, oder?“ Gemeint ist jedenfalls, dass sie und Katharina Hajos (58) erst spät, am zweiten Bildungsweg gewissermaßen, auch als Geschäftspartnerinnen bei „Schlafen nach Maß“ zueinandergefunden haben.
Seit 30 Jahren arbeiten Fischer und Hajos zusammen im Filmgeschäft. Schreiben Spielfilme fürs Fernsehen. Meine wunderbare Familie. Ein verhängnisvoller Plan. Oder in Serie: Schnell Ermittelt. Seit drei Jahren sind sie eben auch bei der Herstellung und dem Verkauf von Polstern und Daunendecken ein Team. Und zwar ganz offenkundig ein recht fröhlich gestimmtes.
Farbenmeer hebt die Laune
Wer in der Glockengasse 9 durch das blitzblau lackierte Geschäftsportal in den winzigen Laden tritt, taucht in ein die Laune schlagartig hebendes Farbenmeer. Links ein ebenso blitzblaues, wohl gut vier Meter hohes Regal. Darin: Polster an Polster an Polster. Kariert, gestreift, geblümt, getupft, gepunktet. Gelb-schwarz-weiß. Orange-ocker-braun-grau. Grün-beige-weiß-rot. Und doch alles ein wohldosiertes Bunt. Weich, sanft, warm. Mal groß und rechteckig. Mal etwas kleiner, aber im Quadrat. Dort gröberes Leinen. Hier etwas Kuscheliges. Und ganz oben dann laut schreiend das pure Grauen: zwei schwarze, mit prallen roten Rosen besetzte Strickpolster. Irgendwie auch witzig. Wenn man’s gern witzig hat.

„Wir gehen beide wahnsinnig gerne auf Flohmärkte“, erhellt Frau Fischer den Hintergrund: „Und am liebsten kaufen wir alte Textilien, um daraus unsere Polster zu schneidern.“ Die Beute wird gereinigt und anschließend taxiert: Was lässt sich aus diesem oder jenem Stück machen? Am Boden vor dem Regal steht ein außergewöhnliches Exemplar, quasi die Verkörperung dieser Überlegung: 1,20 Meter mal 1,20 Meter groß, fast vier Kilo schwer. Vermutlich eher als Sitzsack denn als Kopf- oder Sofakissen zu verwenden, käme diese Wuchtbrumme bei geeigneten Raumverhältnissen auch als Skulptur gut zur Geltung. „Englischer Designstoff“, erklärt Frau Fischer: „Evelyn Redgrave, 70er Jahre, etwas für Kenner.“
Versorgen statt entsorgen
Alles hier ist Vintage. Alte Tischläufer aus Schweden, die zu Polstern umgearbeitet wurden. Designs aus der österreichischen Textilmanufaktur Backhausen. Deadstock, wie die Branche sagt, wenn von Textilmaterial die Rede ist, das nicht weiter verwendet und also entsorgt wird.
Hier, bei Schlafen nach Maß, wird der Deadstock aber nicht ent-, sondern eben versorgt: „Aus diesen Stoffen nähen wir abnehmbare Überzüge, die in der Regel mit Gänsefedern gefüllt werden.“ Und wenn jemand kein Tier im Polster mag? „Dann kriegt er eben Kapok rein.“ Kapok, laut Wikipedia gerne auch Pflanzendaune genannt, ist die flaumige Hohlfaser der Schoten des Kapokbaumes, der wiederum auch Wollbaum heißt.
Daunendecken werden wieder frisch
Wenn der Blick nun über die Regalreihen ganz nach oben und von dort über die exquisite antike Deckenbemalung nach unten auf die rechte Seite des Raums schweift, bleibt er an der über ein Rack drapierten kostbaren Rohware hängen: gereinigte, gebügelte Stoffbahnen, die dereinst je nach Kundenwunsch verarbeitet werden sollen.
Hinter all dem Augenfälligen verbirgt sich die zweite und eigentlich namensgebende Produktlinie: Bei „Schlafen nach Maß“ werden gebrauchte Daunendecken wieder frisch gemacht. Und zwar in jeder gewünschten Größe. „Du bestimmst die Länge und Breite deiner Decke oder deines Polsters und wir nähen und befüllen sie nach deinen Wünschen in unserer Werkstatt in Wien“, ist auf der Website zu lesen: „Leider halten auch Daunenprodukte nicht ewig – wirf sie bitte nicht weg. Komm zu uns und wir arbeiten deine Decke, deinen Polster wieder auf.“ In den Worten von Frau Fischer: „Alles ist möglich. Alles ist Vintage. Alles wird recycelt.“

Dementsprechend wurde auch bei der Einrichtung kein neues Möbelstück angeschafft. Regal, Tisch und Rack – alles war schon mal etwas anderes, alles wurde maßgerecht neu erfunden. Die fast fünf Meter lange Leiter am Polsterregal etwa tat einst in einer Privatbibliothek ihre Dienste.
Abschließender Einwurf von Frau Fischer, damit wir sie nicht falsch verstehen: „Alles, was wir hier verkaufen, hat innendrin neues Zeug. 98 Prozent davon stammt aus der Fleischindustrie: Federn von toten Gänsen, ein Abfallprodukt also. Für unsere Polster werden keine Tiere getötet.“ Und, ja, doch noch etwas: „Unsere Polster sind nicht ganz so günstig wie die bei Ikea, aber eben auch nicht teuer: bei 80 Euro für einen Polster geht’s los.“
Schlafen nach Maß. Glockengasse 9, 1020 Wien.
schlafennachmass.at
Öffnungszeiten: Di – Fr 11-18 Uhr, Sa 11-16 Uhr
Ernst Schmiederer ist Journalist, Verleger, Buchautor und Archivar. Er arbeitete für profil, die Zeit, das Schweizer Magazin „Facts“ und andere Medien. Er lebt in der Leopoldstadt und unterrichtet unter anderem an der Sigmund-Freud-Privatuniversität.