Seit 15 Jahren prägt Isabel Mantl-Kaas, 45, als Wirtin und Feinkosthändlerin den Karmelitermarkt. Nebenher entwickelt sie jetzt neue Perspektiven.

Ein Markt ist eine große zivilisatorische Errungenschaft. Das sieht man am Karmelitermarkt besonders schön. Der ist seit langem ein Treffpunkt für die unterschiedlichsten Menschen. Zugleich nutzen ihn Kinder begeistert als Spielplatz. Er hat Anziehungskräfte wie ein Magnet. Am Vormittag kommen Touristen aus den umliegenden Airbnb’s. Zu Mittag zieht unser Menü auch viele alleinstehende und ältere Menschen an.
Die Jungen wollen Döner und Tofu
Zuletzt sehe ich wieder mehr junge Leute, die kommen wegen Ugi’s Dönerladen oder zum Wiener Tofu. Und den ganzen Tag über spürt man eine lockere Atmosphäre. Niemand wird sich echauffieren, wenn ein Gast zum Espresso hier eine Topfengolatsche jausnet, die er vom Bäcker vis-a-vis mitgebracht hat.
Vor 15 Jahren habe ich das Kaas am Markt eröffnet, weil ich eine Greißlerei mit regionalen Produkten aufziehen wollte. Ich komme aus dem Waldviertel, habe bei meiner Oma und meiner Mutter gesehen, wie all unsere Lebensmittel entweder aus dem eigenen Garten oder aus der Umgebung kamen. Einmal die Woche wurde Brot gebacken. Der Supermarkt spielte kaum eine Rolle. Das hat mich geprägt. Es hat dann aber doch eine Weile gedauert, bis ich mir so ein Geschäft auch zugetraut habe.
Spannender Job bei Alpenlachs
Nach der Matura hatte ich mich für ein Studium der Ernährungswissenschaften entschieden. Bald ist aber klar geworden, dass es nicht allzu viele Möglichkeiten geben würde, daraus einen Beruf zu machen. Die klassische Ernährungsberatung ist den Diätologen vorbehalten. Und die Angebote aus der Lebensmittelindustrie waren nicht gerade überwältigend. Viele landen nach dem Studium daher in der Pharmabranche.
Ich habe dann in Krems noch zusätzlich Gesundheitsmanagement studiert. Mein erster richtig spannender Job danach war Marketing und Qualitätsmanagement für Alpenlachs, ein junges Unternehmen des Industriellen Peter Brauchl, der diesen Eismeer-Saibling nach Österreich gebracht und hier potentielle Züchter und Lizenzpartner gesucht hat.
Für mich hat sich diese Arbeit doppelt gelohnt. Ich habe einerseits sehr viele Menschen, sehr viele Bauern, sehr viele Produzenten persönlich kennengelernt. Und obendrein habe ich den Karmelitermarkt entdeckt, weil ich da jeden Samstag unseren Fisch-Stand aufgebaut und betreut habe. Später konnte ich die Liste einschlägiger Kontakte noch in einem Marketing-Job für die Genuss Region Österreich ausbauen.
Feinkost mit acht Sitzplätzen
Mit diesem Knowhow habe ich am Karmelitermarkt einen Marktstand übernommen und zum Kaas am Markt ausgebaut. Die Grundidee: Die Bauern stehen nur samstags am Markt, mir können sie aber jeden Tag ihre frischen Produkte liefern. Damit wird jeder Tag zum Markttag. Bald hatte ich ein wunderbares, überwiegend regionales Angebot in unseren Vitrinen. Als Feinkosthändlerin durfte ich auch acht Sitzplätze einrichten, um dort Gäste zu bedienen.
Bald habe ich aber gesehen, dass sich das Geschäft nur rechnen wird, wenn ich stärker auf Gastronomie setze. Weil mir die Arbeit als Wirtin ohnehin mehr Freude macht, habe ich also mit einer Gastro-Lizenz aufgerüstet. Seither kann ich im Lokal 20 Leute und im Garten noch einmal 20 bewirten.
Große Bereitschaft, Geld auszugeben
Angesichts der allgegenwärtigen Teuerung sehe ich, dass den Menschen das Geld ein bissl lockerer in der Tasche sitzt, wenn sie Essen gehen. Man verbringt eine schöne Zeit, wird bedient, muss nicht selber kochen. Da ist man offenbar eher bereit, Geld auszugeben.
Im Einzelhandel hingegen ist allein schon die Kalkulation eine Gratwanderung. Welchen Preis kann ich meiner Kundschaft denn zumuten, wenn ich im Einkauf für ein Viertel Bauernbutter schon 4,70 Euro bezahlen muss? Dazu kommt noch die immer sehr komplexe Personalfrage. Ich habe drei Studenten, zwei Schüler im Service und dazu zwei Leute beschäftigt, die auch wirklich kochen und mit Lebensmitteln professionell umgehen können.

Wo immer jemand ausfällt, muss ich einspringen. Das ist während der Woche logistisch herausfordernd, weil ich Familie und drei schulpflichtige Kinder habe. Zum Glück wohnen wir seit Jahren gleich ums Eck vom Markt. Da kann ich notfalls hin- und herspringen. Der Umstand, dass ausgerechnet der Samstag unser umsatzstärkster Tag ist, macht die Sache aber auch nicht leichter. Die Familie leidet darunter und der Freundeskreis auch.
Kochen als Therapie
Trotzdem machen mir der Laden und meine Arbeit noch viel Spaß. Zumal ich wirklich gerne koche und immer wieder erfahre, dass auch unsere Kundschaft gerne in der Küche werkt. Ich merke obendrein, dass mich das Kochen entspannt, wenn ich mal aus irgendeinem Grund nicht so gut drauf bin. Kochen hat für mich therapeutische Wirkung.
Weil ich seit Jahren beobachte, wie sich die Essgewohnheiten der Menschen verändern, sehe ich auch, dass es immer mehr Unverträglichkeiten und immer häufiger Ernährungsstörungen gibt. Das motiviert mich, nebenher jetzt ein Studium der Psychotherapiewissenschaft an der Sigmund Freud Universität zu beginnen. Gerade besuche ich meine ersten Lehrveranstaltungen. Ob bis zum Abschluss fünf oder sechs Jahre vergehen werden, kümmert mich im Moment noch nicht. Wichtig ist mir, dass ich neue Perspektiven entwickeln kann. Alles Weitere wird sich weisen.
Aufgezeichnet von Ernst Schmiederer
(www.ernstschmiederer.com)
Link: https://www.karmeliter.at
Ernst Schmiederer ist Journalist, Verleger, Buchautor und Archivar. Er arbeitete für profil, die Zeit, das Schweizer Magazin „Facts“ und andere Medien. Er lebt in der Leopoldstadt und unterrichtet unter anderem an der Sigmund-Freud-Privatuniversität.