Die Kulturarbeiterin und Musikerin Franziska Hatz, 46, beamt mit ihrem Akkordeon tonnenweise Energie aus der Brigittenau in alle Welt.

Ich komme gerade vom Peymann-Begräbnis, also von der rituellen Verabschiedung des ehemaligen Direktors im Burgtheater. Otto Lechner hat dort erst einen eigenen Walzer und dann das Kaiserquartett von Haydn gespielt. Am Akkordeon natürlich. Das war wirklich beeindruckend. Gemeinsam mit dem Burgtheater-Doyen Branko Samarovski hat er sich schließlich mit einem Wienerlied von Peymann verabschiedet: „Wann i amal stirb, stirb, stirb, Müß’n mi‘ d’Fiaker trag’n“. Total berührend. Und einmal mehr habe ich mir gedacht, was der Otto mit der Ziehharmonika kann, kann eben nur der Otto.
Autodidaktin am Akkordeon
Dass ich bei diesem Abschieds-Ritual dabei sein konnte, geht im Grunde auf einen Zufall zurück. Vor vielen Jahren, ich war als Sozialarbeiterin im Haus Kastanienallee mit der Betreuung von obdachlosen Menschen beschäftigt, hat eine Bekannte gefragt, ob ich für ein Theaterstück am Burgtheater als Akkordeon-Substitut, als Zweitbesetzung einspringen würde. Als Musikerin bin ich Autodidaktin und hätte mir so etwas nie zugetraut. Aber ich habe mich überreden lassen. Zum Glück.
Über die Jahre hat dann im Burgtheater eins zum anderen geführt. Zuletzt hat mit der Direktion von Stefan Bachmann die Musik einen größeren Stellenwert bekommen. Seither bin ich stellvertretende Leiterin der Musikabteilung. Das ist spannend, sehr anstrengend und sehr lohnend.
Jugend an der slowenischen Grenze
Aufgewachsen bin ich in einer Landwirtschaft in der Südoststeiermark, in der kleinen Marktgemeinde Klöch. Hart an der slowenischen Grenze. Und zwar als fünftes Kind einer bodenständigen und liebevollen Familie mit viel Musik und Tanz. Es wurde viel gearbeitet und viel Radio gehört, damals natürlich auch jugoslawische Sender. Mit diesem Sound wurde ich geimpft. Mit sechs Jahren habe ich Akkordeonunterricht bekommen.
Ich wollte dieses Andere spielen, dieses Balkanische. Das geht mit der steirischen Quetschn, mit der diatonischen Knöpferlharmonika nicht. Dafür braucht man ein chromatisches Akkordeon, eine Ziehharmonika mit allen Halbton-Schritten und Dur- und Molltonleitern. Die kann alles, wenn man’s kann. Balkan und Klezmer, Volksmusik und Jazz.
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Ich habe immer am allerliebsten Musik gemacht. Akkordeon gespielt, gesungen, getanzt, Chöre geleitet. Dass Musik auch ein Beruf für eine Frau sein könnte, ist in den entscheidenden Jahren weder mir noch meiner Familie eingefallen. Und so wurde ich Sozialarbeiterin. Mit 21 Jahren am Jugendamt in Graz zu entscheiden, ob ein Kind von einer Familie weg muss oder nicht, war trotz der Ausbildung an der Sozialakademie eine schwere Überforderung.
2007 bin ich nach Wien gegangen, um Sozialwissenschaften zu studieren. Da konnte ich ein paar ECTS-Punkte sammeln, indem ich die Leitung eines Laienchors übernahm. Mit Chören hatte ich ja Erfahrung. Zur Unterstützung habe ich mein Akkordeon mitgebracht. Und wieder hat eines zum anderen geführt. Ich wurde Chorleiterin von Vorlaut / Superar, einem Musik- und Sozialprojekt, das gerade in einer Kooperation der Caritas mit den Wiener Sängerknaben und dem Wiener Konzerthaus gestartet wurde.
Auftritt im Babuschka-Kleid
Noch immer war ich überzeugt, dass eine Autodidaktin nicht Profimusikerin sein könnte. Schließlich überredete mich mein Mann, Richie Winkler, studierter Saxophonist und Komponist, endlich auch einmal mit ihm zu spielen und aufzutreten. Für eine Geburtstagsparty habe ich dann 2009 eine Band zusammengestellt, mit ihm am Saxophon. Ich hatte mir für den Auftritt ein Babuschka-Kleid ausgesucht. Und jemand kam auf die Idee, uns deshalb Großmütterchen Hatz zu nennen. Das war ein absoluter Selbstläufer. Wir haben 80 Gigs in Folge absolviert und uns kein einziges Mal irgendwo dafür beworben.

Seither gibt es keine Pause mehr. Ich spiele im Trio mit meinem Mann und dem Akkordeonisten Tino Klissenbauer. Ich leite den aus Hobby-SängerInnen gewachsenen Chor Novacek und das Laien-Ensemble Walletschek mit 20 AkkordeonistInnen. Ich mache Akkordeon- und Chor-Workshops. Ich spiele solo und in diversen Besetzungen im Duo und im Trio. Und ich teile mir mit meiner Kollegin Lisa Reimitz die Intendanzen des KlezMORE Festivals im November, des Musikalischen Adventkalenders im Dezember und des Akkordeonfestivals im späten Winter eines jeden Jahres.
Hausmusik in der Brigittenau
Gelegentlich musizieren wir natürlich auch dort, wo wir zuhause sind, im 20. Bezirk. Richie, ein paar Freunde und ich haben 2016 die Insel:Klang:Tage als Musikfestival für die Brigittenau ins Leben gerufen. Bei der Riviera Brigittenau waren wir mit dem Walletschek Ensemble vertreten. Und immer wieder ergibt sich eine Gelegenheit, in der Kirche St. Brigitta mit unserem Freund, dem Organisten Wolfgang Reisinger zusammenzuarbeiten.
Zuhause, dazu gehören die Hacienda Ephemer und das Café Frame auf der Jägerstraße. Dazu gehört auch noch die alte Wohnung, die ich 2007 auf der Klosterneuburger Straße bezogen habe: Heuer habe ich den 70. Geburtstag der Vermieterin mit einem Konzert begleitet. Und natürlich die Wohnung, die wir ein Jahr später in der Treustraße gefunden und renoviert haben. Dass wir Nachbarn von Otto Lechner geworden sind, freut mich bis heute. Er lebt zwar meist im Waldviertel, aber ist immer wieder auch in der Nähe. Zuhause eben.
Aufgezeichnet von Ernst Schmiederer
(www.ernstschmiederer.com)
Links:
https://www.franziskahatz.at
https://akkordeonfestival.at
Ernst Schmiederer ist Journalist, Verleger, Buchautor und Archivar. Er arbeitete für profil, die Zeit, das Schweizer Magazin „Facts“ und andere Medien. Er lebt in der Leopoldstadt und unterrichtet unter anderem an der Sigmund-Freud-Privatuniversität.