Atelier Augarten: Ambitionierte Pläne, keine Entscheidungen
Das leer stehende Künstleratelier im Augarten sollte in diesen Tagen zu neuem Leben mit Kultur und Gastronomie erweckt werden. Wieso ist vor Ort nichts davon zu bemerken?
Text: Bernhard Odehnal

Es sah nach einem spannenden Plan mit Zukunft aus. Mitte November 2024 präsentierte Burghauptmann Reinhold Sahl im Atelier Augarten das neue Konzept für den seit vielen Jahren leer stehenden Gebäudekomplex im nordöstlichen Eck des Augartens. Entstehen werde „ein modernes Zentrum für zeitgenössische Kunst und Kultur“, so Sahl.
Für die Auswahl des Programms stellte der Burghauptmann einen Beirat vor, unter Leitung von Danielle Spera. Die ehemalige Direktorin des Jüdischen Museums Wien kündigte an der Veranstaltung eine Wiederbelebung „dieses Kraftplatzes“ an, mit „inspirierenden Projekten aus den unterschiedlichsten Kunst- und Kultur-, aber auch Wissenschaftssparten“. Gleichzeitig mit den kulturellen Veranstaltungen werde das Gebäude in mehreren Bauphasen generalsaniert, ergänzte Sahl.
Klagen über Junkies und Obdachlose
Sechs Monate sind seither vergangen und passiert ist – nichts. Zumindest nicht vor Ort. Das Atelier Augarten ist nach wie vor verwaist. Die riesigen Glasscheiben der ehemaligen Künstlerwerkstatt sind schmutzig trüb, das Museum ist geschlossen. Anrainer klagen über „Junkies“ und Obdachlose, die sich in den schlecht einsehbaren Ecken vor dem Haus niedergelassen hätten.

Dabei gäbe es ein Programm für das gesamte Jahr, sagt Danielle Spera im Gespräch mit „Zwischenbrücken“: Für Mai sei eine Ausstellung der Akademie der bildenden Künste geplant, für den Sommer eine Fotoausstellung und im Außenbereich ein Skulpturenpark. Auch Gastronomie sei vorgesehen. Bloß: Die Umsetzung dieses Programms obliege der Burghauptmannschaft.
Wie „Zwischenbrücken“ aus einer anderen Quelle erfahren konnte, ist unter anderem eine Eventreihe geplant, die sich selbst „irgendwo zwischen Vernissage & Clubbing“ einordnet: Kunst in Kombination mit Gastronomie und Musik plus Tanz. Outdoor Kunstworkshops bis 19 Uhr, Indoor Afterparty bis 22 Uhr.
Veranstalter sitzen auf Nadeln
Freilich wissen die Veranstalter nicht, ob sie den Außenraum rund um das Atelier Augarten überhaupt bespielen dürfen. Denn der gesamte Park gehört dem Bund (siehe Bericht hier). Und bei der Verwaltung reden mehrere Ministerien mit: Das Wirtschaftsministerium in Form der Burghauptmannschaft; das Landwirtschaftsministerium über die Bundesgärten. Und weil der Augarten als barockes Ensemble unter Denkmalschutz steht, muss auch noch das Bundesdenkmalamt sei ok geben.
Keine dieser Bundesbehörden hat es mit Entscheidungen offenbar eilig. Nur die Veranstalter sitzen auf Nadeln. Der Sommer sei nun bald da „und wir wissen immer noch nicht, was wir machen dürfen“, sagt einer von ihnen. Danielle Spera und ihr Beirat hatten eine Auftaktveranstaltung für den 4. Mai geplant. Die wurde nun um zwei Jahre verschoben.

Die Auskunft der Pressestelle der Burghauptmannschaft fällt eher vage aus: Der kulturelle Pop-up-Betrieb werde im Mai 2025 starten, schreibt sie in einer Mail an „Zwischenbrücken“. Das Atelier Augarten werde „bis Oktober/ November durchgehend bespielt“ und das genaue Programm „demnächst bekannt gegeben“.
Fix ist nur: Die von Burghauptmann Sahl angekündigte Fortsetzung des Kulturbetriebs parallel zur etappenweisen Sanierung des Gebäudes kommt nicht. Wegen der baulichen Dringlichkeit und aus budgetären Gründen werde der gesamte Gebäudekomplex gleichzeitig saniert, so die Pressestelle. Das heißt: Ab Herbst 2025 wird das Atelier Augarten wieder komplett gesperrt. Die Wiedereröffnung ist für das zweite Quartal 2027 geplant.
Bildhauer im Dienste des Faschismus
Der im Stil italienischer Landhäuser errichtete Gebäudekomplex wurde Mitte der 1950er Jahre vom Stararchitekten Georg Lippert für den Bildhauer Gustinus Ambrosi errichtet. Der seit seinem siebten Lebensjahr taube Künstler hatte vor dem Krieg Büsten der Diktatoren Mussolini und Dollfuß modelliert und wollte der NSDAP beitreten – was die Nazis wegen Ambrosis Nähe zum Austrofaschismus ablehnten. Ambrosis zwielichtige Vergangenheit störte die junge Republik Österreich aber nicht. Sie zwackte ein Stück Augarten ab und schenkte dem Bildhauer ein Wohnhaus samt angeschlossenem Atelier und Museum.
Nach Ambrosis Suizid 1982 verblieben seine Werke in seinem Museum. 2001 wurde der gesamte Komplex saniert und für Veranstaltungen und Gastronomie adaptiert. 2012 zog Francesca Habsburg mit ihrer „Thyssen-Bornemisza Art Contemporary (TBA21) ein und organisierte in den folgenden Jahren mehrere Ausstellungen und Events. Weil sie sich nicht genug gewürdigt fühlte und Subventionen ausblieben, zog sie 2017 wieder aus.
Danach wurde das Atelier Augarten nur mehr für eine Fotoausstellung und einen Sommer lang für die Kyiv-Biennale genutzt. Projekte des „Vereins Bucharischer Juden“ und des Theaters „brut“ scheiterten ebenso wie die dauerhafte Vermietung an die Akademie der bildenden Künste.

Ambrosis Werke sind mittlerweile aus seinem Museum verschwunden. Das Dach ist so desolat, dass dieser Teil nicht mehr betreten werden darf. Im vergangenen Winter wurden der gesamte Gebäudekomplex mit einem Bauzaun abgesperrt. Der Zaun wurde mittlerweile wieder entfernt. Wie so oft im Augarten erfolgte die Maßnahme ohne jede Erklärung für Besucherinnen und Besucher.
Viele Ankündigungen, nichts passiert
Dass die Burghauptmannschaft so wenig kommuniziert, überrascht den Obmann des „Vereins Freunde des Augartens“ nicht. Das sei ihm zur Genüge bekannt, sagt Claus Süss: „Seit mehreren Jahren hören wir immer nur Ankündigungen. Aber es ist nichts passiert und das Atelier Augarten verfällt.“ Süss freut sich zwar, „dass der künstlerische Beirat aktiv war und es nun ein langfristiges Konzept gibt“. Er fragt aber auch, „ob es denn ein Budget dafür gibt?“
Gibt es ein Budget? Und gibt es unterschriebene Verträge mit Künstlerinnen oder Veranstaltern? Die Pressestelle der Burghauptmannschaft antwortet darauf nur, dass man qualifizierten Projekten „einen Raum zu einem geringen, pauschalierten Betrag inklusive Betriebskosten“ zur Verfügung stelle.
Update am 6. Mai um 14 Uhr: In einer Presseaussendung von heute Vormittag kündigt die Burghauptmannschaft den Start des Pop-Up-Betriebs am 8. Mai an. Ein konkretes Programm wird jedoch nicht bekannt gegeben. (bo)
Bernhard Odehnal lernte Journalismus bei der Stadtzeitung „Falter“ und war danach als Korrespondent und Reporter für österreichische und Schweizer Medien tätig. 2025 kehrt er mit der Gründung von „Zwischenbrücken“ in den Lokaljournalismus zurück. Er lebt in der Leopoldstadt.