Serviced Apartments bringen deutlich höhere Renditen als normaler Wohnbau. Zwischenbrücken fand heraus, dass auch gemeinnützige Bauträger lieber kommerzielle Heime statt geförderte Wohnungen errichten.
Text: Dominik Ritter-Wurnig, Fotos: Christopher Mavrič

Der Couchtisch ist in granny-smith-apfelgrün. Der Rest der Einrichtung ist unspektakulär grau – nicht hässlich, nicht schön: unpersönliche Bürooptik. Die „Suite” besteht aus Wohnzimmer mit Kochnische, Bad, Mini-Schlafzimmer und Loggia. Die U2 fährt so dicht am Gebäude vorbei, dass man von der U-Bahn aus erkennen kann, was drinnen am Fernseher läuft.
Bettwäsche kostet extra
Die 49 Quadratmeter große Wohnung im Room4rent-Wohnheim in der Vorgartenstraße 206, nahe der Wirtschaftsuniversität, kostet 1.645 Euro im Monat. Trotz der hohen Preise ist das Wohnheim fast ausgebucht; bei unserem Lokalaugenschein waren von 183 Einheiten alle bis auf eine vermietet.
Unter dem Schlagwort „Serviced Apartments” werden Kleinwohnungen inklusive Möbeln, Internet, Strom, Heizung und TV-Anschluss für zwei bis maximal 24 Monate vermietet. Für eine Extragebühr kann man zusätzliche „Services” wie Geschirr, Reinigung, Bettwäsche, Fitnessraum oder Sauna monatlich dazu buchen.
#Betongold, Trick 4: Luxuswohnheime
Das ist Trick 4 der Immobilienbranche aus unserer Artikelserie #Betongold: Luxuswohnheime (Hier kannst du Trick 1, 2 & 3 nachlesen). Wenn man ein Baugrundstück in guter Lage (wie etwa in großen Teilen der Brigittenau oder der Leopoldstadt) besitzt und überlegt, wie man das meiste Geld herausholen könnte, bietet es sich an, ein Wohnheim zu errichten.
Die Vorteile liegen auf der Hand: In einem kompakten Grundriss lassen sich enorm viele Wohneinheiten unterbringen und damit hohe Mieteinnahmen lukrieren. Darauf wurde schon vor der Errichtung des Gebäudes im Jahr 2010 geachtet. „In der Planung war die Maxime des Bauträgers, die Grundrisse zu optimieren und die Gangflächen zu reduzieren”, erzählt uns eine Architekturmitarbeiterin, die anonym bleiben muss, da sie nicht über das Projekt sprechen darf.

Jeder Quadratmeter weniger Gangfläche und jeder Quadratmeter mehr Apartment bedeutet höhere Profite für die gemeinnützige Wohnungsgesellschaft. Auf 24 Monate befristete Mietverträgen verhindern, dass Mieter zu lange bleiben und sich damit Rechte erwohnen. Preissteigerungen lassen sich leichter durchsetzen.
Der Nationalrat hat kürzlich beschlossen, dass Mieten bei bestehenden Verträgen nicht mehr um die volle Inflation erhöht werden dürfen. Bei kurzfristigen Verträgen in Wohnheimen greift diese Preisbremse jedoch nicht. Studierenden sind solche Wohnheime schon lange nicht mehr exklusiv vorbehalten. In der Realität sind sie nur ein Teil der Zielgruppe.
Kommerzielle Wohnheime boomen
In den letzten Jahren sind zahlreiche kommerzielle Wohnheime in Wien entstanden, in der Leopoldstadt etwa die Zimmerei, der Social Hub oder das Milestone, in der Brigittenau das Fizz. Das Unternehmen immo-360-grad vermietet insgesamt 994 Serviced Apartments an acht Standorten in Wien. „Ein Apartment kann in unterschiedlichen Lebenssituationen erforderlich sein, wenn zum Beispiel die eigene Wohnung renoviert wird oder aufgrund einer Trennung eine vorübergehende Unterkunft erforderlich ist, für regelmäßig nach Wien kommende Geschäftsreisende und ähnliche Bedürfnisse”, sagt die Marketingleiterin Sabina Šemsović.
So wie im Wohnbau gibt es bei Heimen auch kommerzielle, gewinnorientierte Betreiber einerseits und andererseits geförderte, gemeinnützige Träger. Gemeinnützige Studentenheime wie etwa jenes der Akademikerhilfe in der Pfeilgasse oder Stuwo in der Vorgartenstraße wurden in der Regel mit einer staatlichen Förderung errichtet, dürfen keine Gewinne erzielen und die Miethöhe darf lediglich die Kosten des Heimbetriebs decken.
Dementsprechend günstiger lebt es sich in gemeinnützigen Studentenheimen. So kostet etwa im Stuwo-Haus im Nordbahnhofviertel der Gemeinnützigen Studentenwohnbau AG das Zimmer für Studierende im Zweier-Apartment 613 Euro. Das ist deutlich weniger als die Zimmer in gewerblichen Wohnheimen kosten.
Größter gemeinnütziger Bauträger
Dabei gehören sowohl die Gemeinnützige Studentenwohnbau AG als auch die immo 360 Grad GmbH demselben Konzern: der Österreichischen Siedlungswerk Gemeinnützige Wohnungsaktiengesellschaft (ÖSW).
ÖSW ist der größte gemeinnützige Bauträger Österreichs. Sie verwaltet über 70.000 Immobilien, hat 30 Tochtergesellschaften und eine Bilanzsumme in Höhe von 1,4 Milliarden Euro. Gemeinnützige Bauträger wie das ÖSW sind dem Allgemeinwohl verpflichtet und dürfen nur sehr eingeschränkt Gewinn ausschütten. Ihr Daseinszweck ist die Schaffung leistbaren Wohnraums. Aber: Sie dürfen gewinnorientierte Tochterunternehmen gründen.
Die Cash Cow im Konzern
Die immo 360 Grad GmbH wurde 2001 als 100%-Tochter der ÖSW gegründet. Sie bietet neben Serviced Apartments vor allem Immobiliendienstleistungen an und baut freifinanzierte Wohnungen. Es ist die Cash Cow im Konzern. Laut Jahresabschluss hat sie 2024 einen Gewinn von 2,4 Millionen € erwirtschaftet und verfügt über knapp 25 Millionen € an Gewinnrücklagen. Warum betreibt das von der Christlichen Nothilfe gegründete gemeinnützige Österreichische Siedlungswerk eine kommerzielle Tochter? Warum hat es sich in der Vorgartenstraßen gegen einen gemeinnützigen Wohnbau entschieden? Das Unternehmen antwortet auf diese Fragen nicht.
Umgerechnet auf den Quadratmeterpreis gehören die Wohnheime der immo-360-grad mitunter zur teuersten Wohnform Wiens. Die hohen Preise rechtfertigt die Betreiberfirma dadurch, dass man als genehmigungspflichtige Betriebsanlage zusätzliche Sicherheitsbestimmungen wie Fluchtwege oder Notausgänge einhalten müsse, die in gewöhnlichen Wohnobjekten nicht vorgesehen sind.
Lukratives Heim-Business
Braucht es in Wien überhaupt so viele kommerzielle Wohnheime? „Kurzzeitwohnen ist nach unseren Informationen ein weltweiter Trend. Auch in Österreich gibt es eine verstärkte Nachfrage nach dieser Art von temporärem Wohnen”, sagt Sabina Šemsović, die Marketingleiterin von immo-360-grad. Bei voller Auslastung liegen die Bruttoeinnahmen des Wohnheims geschätzt bei rund 270.000 € monatlich. Aber wer bekommt letztendlich diese Einnahmen?
Die wahren Eigentümer des Wohnheims sind hinter einer verschachtelten Struktur versteckt. Das Grundstück in der Vorgartenstraße 206 gehört nämlich nicht der ÖSW oder immo-360-grad selbst, sondern laut Grundbuch der Erste ÖSW Wohnbauträger GmbH, die wiederum ein Gemeinschaftsunternehmen von Erste Bank (über die Firma sBAU Holding GmbH) und ÖSW ist.
Fragwürdige Grundstückdeals
Für die Errichtung des Gebäudes wurde laut Grundbuch 2010 ein Baurechtsvertrag abgeschlossen. Jährlich muss die ÖSW einen Baurechtszins von 179.800 € inklusive Inflationsanpassung überweisen. Außerdem ist auf das Grundstück im Grundbuch ein Pfandrecht in Höhe von knapp 3,9 Millionen € zugunsten der s Wohnbaubank AG eingetragen. Diese gehört ebenfalls der Erste Bank.
Die Wiener Zeitung deckte im Jänner 2024 Grundstücksdeals der ÖSW und anderer Gemeinnütziger in Essling/Donaustadt auf und zeigte, dass dabei vor allem Banken wie unter anderem die Erste Bank profitieren. Warum wählt ein gemeinnütziges Unternehmen so komplizierte Firmenstrukturen? Unsere Anfrage bei der ÖSW blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Ermöglicht wurde #Betongold durch das Stipendium „Recherche:Wien“ des Forums Journalismus und Medien Wien (www.fjum-wien.at).

Dominik Ritter-Wurnig
Dominik Ritter-Wurnig war als Datenjournalist und Redakteur unter anderem für rbb (ARD), ORF, ZDF und Krautreporter tätig – mit Stationen in Berlin, Wien und New York. Danach gründete und leitete er in Wien das Online-Magazin „tag eins“, ein werbefreies, durch Crowdfunding finanziertes Medienprojekt.




