#Betongold: Fantastische Renditen führen zu einem immer größeren Angebot an möblierten Wohnungen.Droht dem Markt die Übersättigung?
Text: Dominik Ritter-Wurnig, Foto: Chris Mavrič

„Maximieren Sie Ihre Mieteinnahmen”, die Firma Blueground bringt den Sinn und Zweck möblierter Wohnungen schnörkellos auf den Punkt. „Wir verwandeln Ihre leeren Wohnungen in voll möblierte, schlüsselfertige Apartments und vermieten sie dann für einen Monat oder länger an geprüfte, hochwertige Mieter”, fasst das international agierende Scale-up seine Dienstleistung zusammen. Laut eigenen Angaben vermittelt Blueground über 40.000 Wohnungen in 100 Städten weltweit.
„Perfekter Aufenthalt“
Über 50 solcher Mietwohnungen findet man zu jeder Zeit in der Brigittenau und der Leopoldstadt. „Entdecken Sie Ihren perfekten Aufenthalt im pulsierenden 2. Bezirk Wiens mit dieser kürzlich renovierten Unterkunft in der ruhigen Stuwerstraße”, heißt es in einem Inserat für eine renovierte 30-Quadratmeter-Wohnung in einem Altbauhaus. Die Preise sind bemerkenswert: 3.790 € Monatsmiete, was schwindelerregenden 126 € pro Quadratmetern entspricht.
Möblierte Wohnungen richten sich in erster Linie an sogenannte Digitalnomaden, die nach Wien zur „workation” kommen. Das Kofferwort setzt sich aus den englischen Begriffen work (=Arbeit) und vacation (=Urlaub) zusammen. Gemeint sind Menschen, die dank des Internets und Home-Office-Regelung von überall auf der Welt arbeiten können, und Arbeit und Urlaub verbinden. In Folge der Pandemie wurde das zum globalen Megatrend ausgerufen.
Platzt die Blase?
In den letzten Jahren entstanden zahlreiche neue Angebote in Wien, vor allem auch in den angesagten Grätzeln in Zwischenbrücken. Auf der Suche nach immer höheren Renditen entstanden zahlreiche neue, hochpreisige Projekte. Doch inzwischen ist mehr als fraglich, ob die Nachfrage tatsächlich so groß ist wie das Angebot. Ohne es an die große Glocke zu hängen, setzen daher viele Anbieter auf Kurzzeitvermietung an Touristen als noch lukrativere Verwendung von Wohnraum.

In Österreich treffen Digitalnomaden auf eine Gesetzeslücke im Mietrechtsgesetz. Wohnungen, die wegen eines durch “Erwerbstätigkeit verursachten vorübergehenden Ortswechsels gemietet werden”, sind vom Mietrechtsgesetz voll ausgenommen. „Hier gibt es eben keine Preisbeschränkungen sondern solche Verträge sind nur dadurch beschränkt, wenn etwas wucherisch ist”, sagt die Nationalratsabgeordnete und Vorsitzende der Wiener Mietervereinigung Elke Hanel-Torsch (SPÖ): „Da braucht es aber auch Menschen, die das bekämpfen. Und solange es Menschen gibt, die diese Preise zahlen, ohne sich irgendwo hinzuwenden, wird dieses Modell wahrscheinlich auch funktionieren.”
Würde die oben genannte 1-Zimmer-Wohnung im Stuwerviertel an Bewohner*innen statt an Gäste vermietet werden, müsste die Miethöhe nach dem Richtwert berechnet werden. Laut Richtwertrechner der Stadt Wien dürfte bei befristeter Vermietung nur 299 Euro monatlich inklusive Betriebskosten verlangt werden – das ist weniger als ein Zehntel, als über Blueground aufgerufen wird. Auf die Presseanfrage von Zwischenbrücken reagierte Blueground nicht.
Luxus-Wohnturm neben Dauerbaustelle
Schauplatzwechsel in die Dresdner Straße 90. Über 250 Luxuswohnungen sind in dem bunten Wohnturm mit 29 Etagen entstanden. Die ersten Bewohner*innen sollen Mitte Jänner in den Momento-Living-Tower einziehen, Ende November waren aber erst rund zehn Prozent der hochpreisigen Wohnungen vergeben. Das Konzept erinnert mehr an ein Hotel, als an eine Wohnhausanlage: eine großzügige Lobby mit einem Building-Manager, der Restaurant-Tipps parat hat. Im Dachgeschoss gibt es ein Yoga-Zimmer, ein Fitnessstudio, ein Heimkino, ein mietbarer Private-Dining-Bereich und eine Dachterrasse mit Blick über Wien.
Alle 1- und 2-Zimmer-Wohnungen werden vollmöbliert vermietet. Um ein authentisches Bild zu erhalten, besichtigte ich als Interessent mehrere Studios im 27.Stock. Der Blick vom Balkon ist atemberaubend, die hochwertigen Möbeln erinnern an den beliebigen, unpersönlichen Stil eines Hotels. Die Küche ist klein, aber zweckmäßig und modern. Der Haken ist der Preis: Die 48-Quadratmeter-Wohnung kostet monatlich 1.735 €, was rund 36 € pro Quadratmeter entspricht. Für die lokale Bevölkerung in der Brigittenau ist das wohl nichts. Der Bezirk hat das niedrigste Durchschnittseinkommen Wiens und mit rund 15 Prozent die zweithöchste Arbeitslosenquote Wiens.
US-Immobiliengigant in der Brigittenau
Als Luxuswohngegend ist die Dresdner Straße aber auch kaum geeignet: Das Hochhaus grenzt direkt an den ehemaligen Nordwestbahnhof, um Richtung Innenstadt zu kommen, muss man großräumig ausweichen. Für das nächste Jahrzehnt ist hier mit einer Dauerbaustelle zu rechnen.
Errichtet wurde das Momento Living Wohnhaus vom US-Immobiliengiganten Greystar, der über eine Million Wohnungen in den USA verwaltet (Zwischenbrücken berichtete). Im Grundbuch hat sich die UniCredit Bank Austria ein Pfandrecht in Höhe von 125 Millionen Euro eintragen lassen. Bereits 2022 eröffnete Greystar das District-Living-Hochhaus mit einem sehr ähnlichen Konzept auf der Donauplatte in Wien und betreibt in zig anderen europäischen Städten ähnliche Türme.

Bleibt die Frage, ob Wien wirklich so viele möblierte Wohnungen braucht? Gibt es wirklich so viele Menschen, die sich die hohen Mieten leisten können? Das deutsche Immobilienanalyseunternehmen „bulwiengesa” befragt jährlich die großen deutschen Anbieter sogenannter Micro-Living-Apartments und veröffentlicht regelmäßige Marktreports. „Die konstant hohe Auslastungsquote von 95 Prozent verdeutlicht die starke Nachfrage nach dieser Wohnform, insbesondere in stark angespannten Wohnungsmärkten”, sagt bulwiengesa-Consultant Lena Schwesinger. „Micro-Apartments stellen für bestimmte Zielgruppen wie Studierende, Auszubildende, Expats und Young Professionals eine temporäre Alternative zum herkömmlichen Wohnungsmarkt dar.”
Touristen statt digitalen Nomaden
„Ich halte das für etwas überschätzt”, entgegnet Andreas Köttl, der Präsident des Verbands der österreichischen Projektentwickler und Kenner des Wiener Markts: „Möblierte Wohnungen, kleine Wohnungen, die nicht für eine lange Nutzung sind, die führen nicht zu dem, was wir uns eigentlich wünschen – dass Familien ein zu Hause haben, indem sie langfristig bleiben.“ Er sei kein Feind dieses Produktes, sagt Köttl: „Ich glaube nur, dass es auch seine Grenzen hat.”
Von der möblierten Wohnung ist es kein großer Schritt mehr zur noch lukrativen Form der kurzfristigen Vermietung an Touristen. Dass diese Grenze verschwimmt, zeigt Blueground: Das Studio in der Stuwerstraße kann man auch um 117 Euro pro Nacht für Wochenendurlaub mieten.
Bevor wir uns aber zum Ende der Artikelserie der Kurzzeitvermietung widmen, berichte ich nächste Woche über den Trick 4: „Luxusstudentenheime”.
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Ermöglicht wurde #Betongold durch das Stipendium „Recherche:Wien“ des Forums Journalismus und Medien Wien (www.fjum-wien.at).

Dominik Ritter-Wurnig
Dominik Ritter-Wurnig war als Datenjournalist und Redakteur unter anderem für rbb (ARD), ORF, ZDF und Krautreporter tätig – mit Stationen in Berlin, Wien und New York. Danach gründete und leitete er in Wien das Online-Magazin „tag eins“, ein werbefreies, durch Crowdfunding finanziertes Medienprojekt.



