Erst verlor Markus Leopold-Blaim einen Konflikt mit Lego. Nun bedroht eine Nachforderung der Sozialversicherung seinen Spieleladen in der Brigittenau. Kann ihn ein Crowdfunding retten?
Text: Naz Küçüktekin, Fotos: Chris Mavrič

Der Moment, in dem ein Laden vor dem Untergang steht, ist nicht immer laut. Im „Paradice Board Game Store” in der Wallensteinstraße zeigt er sich nicht in leeren Regalen oder fehlender Kundschaft. Er zeigt sich in einer Zahl: 19.200 Euro.
So viel soll Markus Leopold-Blaim an die Sozialversicherung zahlen, nicht wegen eines aktuellen Problems, sondern wegen eines Jahres, das längst vorbei ist.
Erneut in der Klemme
„Klemme“ – so hieß im Jahr 2023 nicht nur Leopold-Blaims Laden. In der Klemme steckte er auch, als der größte Spielzeughersteller der Welt es auf einmal auf ihn abgesehen hatte. In seinem Geschäft verkaufte Leopold-Blaim damals alternative Klemmbausteine – Produkte, die mit Lego kompatibel waren, aber von anderen Herstellern stammten und deutlich günstiger waren. Ein Geschäftsmodell, das für ihn funktionierte. Lego sah darin jedoch eine Verletzung der Markenrechte .
Der Konzern ließ Leopold-Blaim abmahnen. Kurz darauf wurde bestellte Ware am Zoll beschlagnahmt. Sie durfte nicht mehr verkauft werden und musste später vernichtet werden. Der entstandene Schaden belief sich auf rund 25.000 Euro.
Abverkauf und Neustart
Für Leopold-Blaim fühlte sich dieses Vorgehen unfair an, rechtlich war die Situation jedoch unklar. Seine Anwälte machten ihm deutlich, dass ein Verfahren gegen einen internationalen Konzern mit hohem Risiko verbunden sei, mit ungewissem Ausgang und zusätzlichen Kosten. Lego erzielt jährlich Milliardenumsätze. Leopold-Blaim betrieb ein einzelnes Geschäft im 20. Wiener Gemeindebezirk:
Er entschied sich daher, den Laden zu schließen, bevor noch weiterer Schaden entstehen konnte. Auf Anraten seiner Anwälte verkaufte er die verbliebene Ware schnell ab. Es bestand die Gefahr, dass auch sie sonst beschlagnahmt und vernichtet worden wäre.
Der Abverkauf erfolgte teilweise mit hohen Rabatten, der Umsatz war entsprechend hoch. Mit den Einnahmen beglich Leopold-Blaim Schulden, zahlte offene Rechnungen und bereitete den Neustart vor.

Drei Monate nach der Schließung eröffnete Leopold-Blaim am selben Ort neu. Seit März 2024 betreibt er dort den „Paradice Board Game Store“, einen auf Brettspiele spezialisierten Laden mit Fokus auf kleinere Verlage, persönliche Beratung und gemeinsames Spielen. Ergänzt wird das Angebot durch Spielabende und Kooperationen mit dem gemeinnützigen Verein Paradice, der soziale Spielkultur fördern will.
„Das Tagesgeschäft funktioniert“, sagt Leopold-Blaim. Er habe sich eine Stammkundschaft aufgebaut, und der Laden laufe stabil. Woher also die 19.200 Euro an Schulden?
Sozialversicherung bleibt hart
Die aktuelle Belastung ergibt sich aus der Systematik der Sozialversicherung. Anders als das Finanzamt berücksichtigt sie keine Vor- oder Folgejahre, sondern bewertet ausschließlich das einzelne Jahr, weshalb sich rechnerisch für 2023 ein Gewinn ergab. „Im Rahmen der Beitragsgrundlagenbildung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz sind Verlustvorträge nicht bei den Abzugsbeträgen aufgezählt und werden daher bei der Beitragsgrundlagenbildung nicht berücksichtigt”. erklärt dies der Dachverband der Sozialversicherungsträger.
„Normalerweise weiß man, wenn man ein gutes Jahr hat, dass man Geld zur Seite legen muss“, sagt Leopold-Blaim. „Nur in meinem Fall war das ja kein Gewinn im eigentlichen Sinn, sondern reiner Umsatz.“
Müsste er die gesamte Summe jetzt alleine aufbringen, hätte das drastische Folgen für den laufenden Betrieb. „Dann müsste ich wieder zusperren“, sagt er.

Ein Crowdfunding soll daher Abhilfe schaffen. Dass er diesmal um Unterstützung bittet, sei für ihn kein leichter Schritt. Beim ersten Einschnitt habe er bewusst auf ein Crowdfunding verzichtet. Heute gehe es darum, eine finanzielle Belastung zu bewältigen.
Die bisherigen Spenden – rund zwei Drittel der benötigten Summe – versteht Leopold-Blaim als Unterstützung für den Fortbestand des Geschäfts. „Wer spendet, gibt auch ein Statement ab“, sagt er. Es geht ihm um den Erhalt eines Ortes, an dem Menschen zusammenkommen, spielen und sich austauschen können.
„Einfach wieder gut schlafen”
In Wien gibt es nur noch wenige reine Brettspielfachgeschäfte. Eines davon hat kürzlich geschlossen. Dass auch der „Paradice Board Game Store” gefährdet sein könnte, obwohl das Tagesgeschäft funktioniert, empfindet Markus Leopold-Blaim als besonders bitter.
Am Ende gehe es ihm nicht um Wachstum oder Gewinn. „Ich möchte nicht reich sein“, sagt er. Was er sich wünsche, sei wirtschaftliche Stabilität. „Ich möchte einfach wieder gut schlafen können und wissen, dass ich mir keine Sorgen mehr machen muss.“
Spieleladen: https://paradicegames.at
Crowdfunding: https://www.gofundme.com/f/hilfe-fur-den-paradice-board-game-store
Jetzt zum Newsletter anmelden

Naz Küçüktekin hat journalistische Erfahrungen unter anderem bei Kurier, Profil und Biber gesammelt. Sie lebt in der Brigittenau hat mehrere Preise gewonnen, unter anderem den Wiener Journalismus-Gesundheitspreis.
Christopher Mavrič arbeitet als Fotograf für den „Falter“ und viele andere Medien. Sein Fotoband „Zwischen Brücken“ mit Porträts und Ansichten der Brigittenau erschien 2020 in der FOTOHOF-Edition. Er ist Lehrbeauftragter für analoge Fotografie an der Fotoakademie Graz.







