Frischer Tofu aus der Leopoldstadt
Die Sojabohnen stammen aus Niederösterreich, die Tradition aus China. Produziert wird am Karmelitermarkt. Mit „Wiener Tofu“ bekommt Wien seine erste Tofumanufaktur.
Text: Naz Küçüktekin, Fotos: Chris Mavrič

Wände gibt es hier keine – und das ist bewusst so gewählt. Nur Glas trennt den Stand 65 am Karmelitermarkt vom geschäftigen Treiben. So lässt sich genau mitverfolgen, wie in der neuen Manufaktur täglich frischer Tofu nach traditionell chinesischer Methode entsteht.
Wer morgens um sieben vorbeikommt, kann beobachten, wie über Nacht eingeweichte Bio-Sojabohnen aus Niederösterreich in einer großen Metallmaschine zermahlen und mit Wasser aufgekocht werden. Wie die festen Bestandteile ausgesiebt, die verbleibende Sojamilch nochmals erhitzt und schließlich durch Zugabe von Magnesium zum Gerinnen gebracht wird. Und schließlich, wie die Tofumasse in der Presse ihre typische Blockform erhält. Etwa 30 Kilogramm Tofu entstehen so in rund einer Stunde.
Zwei Jahre Vorarbeit
Seit Anfang Juli befindet sich die Manufaktur im Soft-Opening. Außer sonntags und montags kann man täglich bei der Herstellung zusehen – und den frischen Tofu direkt erwerben. Ein Kilo kostet zwölf Euro. „Wir sind die Ersten in Wien, die Tofu selbst herstellen“, sagen die Gründerin Elisabeth Hakel und Gründer Liwei Sun stolz. Zwei Jahre lang haben sie an der Idee gearbeitet. Nun ist die Freude groß, endlich loslegen zu können.
Doch wie kam es überhaupt dazu – und zu dieser ungewöhnlichen Partnerschaft?

Sun ist in der Wiener Gastronomie kein Unbekannter. In China geboren, kam er mit zehn Jahren nach Österreich. In Graz betrieb sein Vater ein Lokal, in dem er früh mithalf und das Kochen lernte. Später eröffnete er in Steyr ein eigenes Restaurant, bevor er 2013 mit seiner Frau Biru Yun nach Wien übersiedelte. Dort führten sie zunächst das Lokal „Küche 18“, bevor sie mit „Liweis Kitchen“ an die Taborstraße wechselten.
Aus dem Parlament in die Tofumanufaktur
Dort lernte Elisabeth Hakel das Paar kennen – und war sofort begeistert von ihrer Küche. Die ehemalige SPÖ-Nationalratsabgeordnete hatte auf China-Reisen das Potenzial von Tofu erkannt: „Aber in Österreich hat er nie geschmeckt, außer beim Liwei“, erzählt sie. Die Idee war geboren: Wien sollte erfahren, wie guter Tofu schmeckt – und was in ihm steckt. Denn das Sojaprodukt liegt im Trend, nicht nur wegen seiner Nährwerte, sondern auch aufgrund seiner im Vergleich zu Fleisch deutlich besseren CO₂-Bilanz, wie die beiden betonen.
Tatsächlich steigt der Anteil vegetarisch oder vegan lebender Menschen in Österreich kontinuierlich – von sechs Prozent im Jahr 2017 auf rund elf Prozent Anfang 2021. Und laut einer Statista-Umfrage aus dem Jahr 2024 bezeichnen sich inzwischen 16 Prozent der Österreicher:innen als Flexitarier – für sie ist Fleisch kein tägliches Lebensmittel mehr.

Der Weg bis zur fertigen Manufaktur war dennoch lang. Bire Yun absolvierte in China eine Zusatzausbildung, um die traditionelle Herstellung zu perfektionieren. Die dafür nötige Maschine wurde eigens aus China geliefert – eine logistische Herausforderung. „Das dauerte Monate, und wir mussten auch die Elektrik und den Sicherungskasten komplett austauschen, damit alles hier funktioniert“, erzählt Sun.
Kochkurse geplant
Im September soll die offizielle Eröffnung folgen. Doch bereits jetzt gibt es neben frischem Tofu auch in hausgemachten Saucen eingelegte Varianten. Täglich zwei frisch zubereitete Gerichte ergänzen das Angebot und können an den acht Sitzplätzen vor Ort genossen werden. Künftig wollen die Betreiber:innen auch Kochkurse anbieten – für alle, die das Potenzial des Tofus selbst entdecken möchten.
Erste Wiener Tofumanufaktur. 1020, Karmelitermarkt, Stand 63
Link: https://wienertofu.at
Mail: sun@wienertofu.at
Öffnungszeiten: Di bis Sa 11 bis 18 Uhr
Naz Küçüktekin hat journalistische Erfahrungen unter anderem bei Kurier, Profil und Biber gesammelt. Sie lebt in der Brigittenau hat mehrere Preise gewonnen, unter anderem den Wiener Journalismus-Gesundheitspreis.
Christopher Mavrič arbeitet als Fotograf für den „Falter“ und viele andere Medien. Sein Fotoband „Zwischen Brücken“ mit Porträts und Ansichten der Brigittenau erschien 2020 in der FOTOHOF-Edition. Er ist Lehrbeauftragter für analoge Fotografie an der Fotoakademie Graz.