Hobbykicker wie jene vom „FC Augarten“ wollen trainieren. Warum dürfen sie das nicht auf den vier großen Sportanlagen, die so oft leer stehen?
Text: Bernhard Odehnal, Fotos: Chris Mavrič

Ein dunkelblauer Kreis, darin in Grau eine Zeichnung des Flakturms mit seinen charakteristischen Ohrwascheln. Rundherum der Schriftzug „FC Augarten“. Der junge Grafiker Enno Osten hat das Logo für seinen Fußballklub entworfen. Stolz zeigt er die Kollektion: Es gibt den „Augarten“ auf Trikots, Schals, Transparenten und Feuerzeugen. Bloß: Einen Platz zum Trainieren, den gibt es für das Team im Augarten nicht.
Antisemitischer Turnvater
Seit diesem August spielt der Amateurverein in der sogenannten „Kleinfeldliga“. Matches werden auf der Hälfte eines normalen Fußballfelds mit 5 oder 6 Spielern plus Torwart ausgetragen. Weil sie die Liga ernst nehmen, wollen die jungen Männer und Frauen regelmäßig trainieren, zumindest einmal in der Woche. Doch obwohl fast alle nahe am Augarten wohnen, müssen sie dafür in den Prater fahren. Dort können sie bei der „Kultur- und Sportvereinigung der Wiener Gemeindebediensteten“ (KSV) einen Platz günstig mieten.
Das war nicht immer so: Als Kinder, erinnert sich der 20-jährige Enno Osten, hätten sie noch auf dem größten Sportplatz im Augarten trainieren dürfen – der „Jahnwiese“. Benannt ist der Platz nach „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn, der jedoch wegen seiner großdeutschen und antisemitischen Aussagen in Verruf geriet. „Wir nennen den Platz wie viele andere deshalb Dianawiese, benannt nach dem ersten Wiener Frauenfußballklub Diana“, sagt Osten.
Überraschende Absage
Es folgte eine zweijährige Zwangspause wegen der Corona-Pandemie. Als Osten und seine Freunde vor zwei Jahren den FC Augarten wieder belebten, war ein Training im Augarten plötzlich nicht mehr möglich: „Uns wurde mitgeteilt, dass es keinen freien Slot gebe“, sagt Osten. Die Absage überraschte ihn um so mehr, als er fast jeden Tag im Augarten ist („unser erweitertes Wohnzimmer“) und dort die Sportplätze sieht. Meistens stehen sie leer.

Die Spielerinnen und Spieler des FC Augarten sind nicht die einzigen, der sich über die nicht benutzten Sportanlagen wundern. In den vergangenen Monaten hat „Zwischenbrücken” mehrere Anfragen von Leserinnen und Lesern erhalten, warum die Plätze so wenig benützt würden, und wer eigentlich dafür zuständig sei?
Wie so oft im Fall Augarten lautet die Antwort: Es ist kompliziert.
Im Unterschied zum Prater gehört die Parkanlage zwischen Leopoldstadt und Brigittenau nicht der Stadt Wien, sondern dem Bund. Verwaltet wird sie von verschiedenen Institutionen: Die Burghauptmannschaft ist zuständig für die Immobilien, die Bundesgärten sind zuständig für Grünflächen und Spielplätze. Und dann gibt es noch die „Zentrale für Sportgeräteverleih und Sportplatzwartung“ (ZSSW), eine Dienststelle des Bildungsministeriums.
Aufwendige Sanierungen
Die ZSSW verwaltet die Sportplätze im Augarten: Jahnwiese, Auwiese, Schlosswiese und die Peter Rehnelt-Wiese, benannt nach einem österreichischen Fußballer der 1960er Jahre. Weil sie nicht den Normen offizieller Sportanlagen entsprechen, werden sie „Bundesspielplätze“ genannt.
Alle vier Plätze wurden in letzter Zeit aufwendig saniert, angeblich um über 100.000 Euro pro Platz. Genaue Zahlen verrät das ZSSW nicht. Laufbahnen wurden neu gemacht, Rasen neu gelegt, auf einer Anlage wurde ein neues Haus für Garderoben und Sanitäreinrichtungen gebaut. Für die Umbauten blieben die Sportanlagen monatelang gesperrt. Jetzt sind alle vier wieder offen – und trotzdem werden sie kaum benutzt. Warum?

Die Bundesspielplätze stehen Schulen „für die tägliche Sportausübung und für Sportveranstaltungen zur Verfügung“, erklärt Manfred Karpf, der Dienststellenleiter der ZSSW. Private Vereine könnten die Plätze zwar ebenfalls benutzten. Aber nur von Montag bis Mittwoch, und erst ab 18 Uhr. „Bis dahin müssen die Plätze für die Schulen frei gehalten werden“, sagt Karpf.
Sehr kleines Zeitfenster
Damit bleibt privaten Sportvereinen nur ein sehr kleines Zeitfenster. Denn ab 1. Oktober schließt der Augarten um 19 Uhr, ab 1. November schon um 17.30 Uhr. Erst ab 1. April ist der Park wieder bis 20 Uhr und ab 1. Mai bis 21 Uhr geöffnet.
Aber was ist an den Wochenenden und in den vielen Schulferien? Da müsste die Nutzung der Plätze tagsüber doch möglich sein?
Leider nein. „Sonst müssten wir überall einen Platzwart beschäftigen, von 6 Uhr morgens bis in die Abendstunden“, erklärt Karpf. Mit der unbewachten Nutzung habe man nämlich schlechte Erfahrungen gemacht.
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Von 2016 bis 2019 und nach Ende der Corona-Pandemie 2022 wurden auf Initiative des „Vereins zur Förderung der Parksportkultur“ einzelne Sportplätze im Augarten an Samstagen ganztätig für private Sport- und Freizeitvergnügen geöffnet. Er habe die Idee gut gefunden, sagt Manfred Karpf, „aber leider ist das ausgeufert. Die Leute haben sich nicht an die Regeln gehalten. Wir mussten dann jeden Montag Glasflaschen, Zigarettenstummel und Hundekot wegräumen.“ 2023 wurde die samstägliche Freigabe nicht mehr fortgesetzt.
Im Augarten nicht mehr erwünscht?
„Klar hat nicht immer alles gepasst, aber das Publikum hat sich doch sehr zivilisiert verhalten und meistens beim Aufräumen geholfen“, entgegnet Constantin Scherer, Vereinsobmann der „Parksportkultur“. Er hat eher den Eindruck, „dass unser Projekt im Augarten nicht mehr erwünscht war“.
Scherer organisiert im Rahmen eines Kollektivs Fußballturniere von Hobbykickern in der sogenannten „wilde Liga“. Früher spielte man auf der Jahnwiese vulgo „Dianawiese“. Seit der Sperre für private Vereine werden die Matches meistens auf der Donauinsel ausgetragen. „Im Sommer ist das ideal“, sagt Scherer, „aber im Herbst und im Frühjahr würden wir sehr gerne wieder im Augarten spielen.

Manfred Karpf bezeichnet das Schönste an seiner Arbeit, „dass wir nicht getrieben sind, mit den Bundesspielplätzen Einnahmen zu lukrieren. Wir sind dazu da, Kindern einen schönen Raum zu schaffen, wo sie einfach Sport machen dürfen.“ Ob und wie sehr die Schulen dieses Angebot nutzen, bleibt ihnen selbst überlassen. Laut ZSSW nützen pro Jahr rund 90.000 Schulkinder die Anlagen. Die Schulleitung unterschreibt zu Beginn des Schuljahres eine Benutzungsvereinbarung mit der ZSSW. Danach entscheiden die Turnlehrerinnen und -lehrer jedoch selbst, ob sie mit ihren Klassen lieber im Turnsaal bleiben oder in den Park gehen.
Leere Plätze auch an schönen Tagen
Viele sind es offenbar nicht, die lieber ins Freie gehen. Zwischenbrücken überprüfte die Auslastung während einer sonnigen Woche im November mit milden Temperaturen. Fazit: Von Montag bis Freitag war sowohl am Vormittag als auch am Nachmittag meistens nur ein Platz belegt, manchmal waren es zwei. Immer standen mindestens zwei Plätze leer. Könnte man hier nicht gleichzeitig Vereine spielen lassen? Das Problem sei die „begrenzte Anzahl an Umkleidekabinen“, antwortet Manfred Karpf: „Diese lässt eine klare Trennung zwischen schulischer und außerschulischer Nutzung derzeit nicht zu.“
Anfang Oktober verkündeten Bildungsminister Christoph Wiederkehr und Sport-Staatssekretärin Michaela Schmidt, die schulische Sport-Infrastruktur für Vereine mehr zu öffnen. Unter anderem soll ein zentrales Buchungssystem den Zugang erleichtern. „Je niederschwelliger hier die Angebote sind, umso besser“, wird der Bildungsminister in einer Aussendung zitiert.
Platzwart in Pension
Wird der FC Augarten also irgendwann wieder im Augarten trainieren dürfen? Eine Zeit lang habe es bloß keinen Slot für den Verein gegeben, weil der Platzwart in Pension gegangen sei, sagt Dienststellenleiter Karpf: Es seien Maßnahmen geplant, um den Vereinssport im Augarten zukünftig gezielter zu unterstützen. Allerdings, so Karpf: „Eine bevorzugte Behandlung aufgrund des Vereinsnamens findet nicht statt.“

Seit August spielt das Team rund um Enno Osten in der Kleinfeldliga Ost mit. Das mache viel Spaß und die Stimmung sei immer sehr gut, erzählt Osten. Bloß die Anfahrt sei mühsam, denn die Spiele der Liga Ost werden am Stadtrand in Oberlaa ausgetragen. Aktuell belegt der FC Augarten in der Liga den dritten Tabellenplatz.
Bernhard Odehnal lernte Journalismus bei der Stadtzeitung „Falter“ und war danach als Korrespondent und Reporter für österreichische und Schweizer Medien tätig. 2025 kehrt er mit der Gründung von „Zwischenbrücken“ in den Lokaljournalismus zurück. Er lebt in der Leopoldstadt.
Christopher Mavrič arbeitet als Fotograf für den „Falter“ und viele andere Medien. Sein Fotoband „Zwischen Brücken“ mit Porträts und Ansichten der Brigittenau erschien 2020 in der FOTOHOF-Edition. Er ist Lehrbeauftragter für analoge Fotografie an der Fotoakademie Graz.







